US-Regierungen haben seit Ronald Reagan vor allem ein Ziel: Die Reichen reicher zu machen

Staat ohne Steuern

Krisen sind Zeiten verschärften Klassenkampfes. Das gilt vor allem für den Klassenkampf von Oben. Warren Buffet war schon 2006 der festen Überzeugung, dass seine Klasse, die der Reichen und Superreichen, gewinnt. Ein Blick auf die Zahlen gibt ihm recht: Während laut Weltbank die Zahl der Menschen in extremer Armut in der Corona-Krise um 150 Millionen gestiegen ist, sind die Gewinne der oberen 0,1 Promille in Billionendimensionen durch die Decken geschossen.

Seit Ronald Reagan haben die US-Präsidenten ihre ganze Energie darangesetzt, die ohnehin Reichen noch reicher zu machen. Donald Trump hat für seine Regierung reklamiert, 2017 die größte Steuersenkung in der Geschichte auf den Weg gebracht zu haben. Aber andere waren noch „besser“.

Der Zweite Weltkrieg und die Aufrüstung des US-Militärs kosteten eine Menge Geld. Das US-Finanzkapital hatte, um sich zum Herrn der Welt zu machen, zeitweise Spitzensteuersätze bis über 90 Prozent akzeptiert. Anfang der 1980er Jahre waren Wall Street und auch die Londoner City zu diesen Zugeständnissen nicht mehr bereit. Dem Staat mochten sie Geld leihen, aber nicht mehr „schenken“ – was vom „New Deal“, dem Klassenkompromiss aus den Roosevelt-Jahren, noch übrig war, wurde aufgekündigt. Die neoliberale Gegenreform nahm Fahrt auf. Steuersenkungen wurden Mode.

In den 1970er Jahren war der US-Ökonom Arthur Laffer durch die „Laffer-Kurve“ bekannt geworden. Diese Kurve soll einen Zusammenhang zwischen dem Einkommensteuersatz und den Steuereinnahmen zeigen. Danach würden die Steuereinnahmen bei stetig steigenden Steuersätzen nur bis zu einem gewissen Punkt steigen, um danach sogar wieder zu sinken. Damit wurde Laffer zum ökonomischen Star der Neoliberalen, die Steuern ganz generell für falsch hielten. Sie glauben an den „Trickle-Down-Effekt“ – jene schöne Erzählung, die behauptet, man müsse die Reichen nur immer reicher machen, dann fiele auch für die Armen genügend ab. 2019 verlieh US-Präsident Trump dem Ökonomen Laffer die „Medal of Freedom“.

Schon John F. Kennedy hatte, noch ganz ohne „Laffer-Kurve“, für eine Senkung der Kalte-Kriegs-Besteuerung gekämpft. Die Sowjetunion hatte hinreichend Wasserstoffbomben und Trägermittel. Die konfrontative Rollback-Strategie der Eisenhower/Dulles-Ära machte keinen Sinn mehr. 1964, kurz nach seiner Ermordung, ging Kennedys Steuersenkung auf 70 Prozent durch den Kongress. Ronald Reagan schaffte es dann bis 1988, den Höchstsatz der Einkommensteuer auf 28 Prozent zu drücken. Ähnliches galt auch für die Unternehmenssteuer, die allerdings bis Anfang der 1960er Jahre bei maximal 52,8 Prozent gelegen hatte und unter Kennedy auf 47 Prozent gesenkt wurde. Heute spielt sie kaum noch eine Rolle. Kein Wunder, dass Reagan zum Darling des Finanzkapitals und seiner Medien wurde.

Mit Reagan verdreifachte sich das Defizit des Staatshaushaltes und der Marsch in die Ver- und Überschuldung begann. Eine Überschuldung der gesamten US-Gesellschaft – der Bürger, der Unternehmen und des Staates, die sich bis heute auf die astronomische Summe von rund 80 Billionen US-Dollar, das Vierfache des US-BIP, gesteigert hat. Und die eine dauerhafte Nullzins-Politik und einen ebenso dauerhaften und hochtourigen Betrieb der Notenpresse verlangt, wenn nicht alles zusammenbrechen soll.

Die zeitweisen Budgetstabilisierungsversuche unter William Clinton – die Höchststeuersätze landeten wieder bei 40 Prozent – fanden ein baldiges Ende. Denn es folgten George W. Bush, der „Global War on Terror“ und satte Steuersenkungen für seine milliardenschweren Kumpels. Das US-Polit-Establishment hatte da längst das Stadium der offenen Korruption erreicht. Blumige Girlanden á la Laffer waren nicht mehr erforderlich. Im Hochgefühl des Siegs über die Sowjetunion war das Imperium zum Selbstbedienungsladen des Finanzkapitals geworden. Die Kosten für Steuersenkungen der Bush-Krieger belaufen sich laut Congressional Budget Office (CBO) bis 2019 auf etwa 4,5 Billionen Dollar.

Hier konnte Barack Obama nahtlos anschließen und die Steuersenkungen der Bush-Ära noch erheblich ausweiten. Obama stellte seinen Vorgänger mit Steuersenkungen mit einem Volumen von 1,1 Billionen Dollar locker in den Schatten. Unter Bush gab es inflationsbereinigt nur 574 Milliarden Dollar. Entsprechend sind auch die Langzeitwirkungen.

Das CBO hat errechnet, dass die Trumpschen Steuersenkungen (Unternehmenssteuern 21 Prozent, Einkommensteuer maximal 37 Prozent) die Staatsschulden in den nächsten 10 Jahren um 2,2 Billionen Dollar erhöhen werden. Die Staatsschulden werden in den kommenden Monaten auf rund 30 Billionen Dollar ansteigen. Das US-Finanzkapital hat sich alle Mühe gegeben, das Imperium gründlich zu ruinieren. Hier denkt niemand, der ernst genommen werden will, noch an Stabilisierung oder gar Schuldentilgung. Der finanzielle Ruin ist längst unabwendbar geworden.

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"Staat ohne Steuern", UZ vom 6. November 2020



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