Betr.: „Kapitalismus, Rassismus, ...“ von Hans Christoph Stoodt, UZ vom 29. Januar 2016

Strafverschärfung ist niemals links!

Von Tim Engels, Düsseldorf

Auch wenn Hans Christoph Stoodt in vielem zuzustimmen ist mit der Aufforderung, den Aufruf „ausnahmslos“ zu unterstützen, tappt er genau in die Falle der bürgerlichen Feministinnen, die er berechtigterweise kritisiert. Gleich zu Beginn fordern die selbst erklärten „Cis-Frauen“ und „FeministInnen“: die „Schutzlücken im Straftatbestand der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung müssen endlich geschlossen werden“. Noch in der Vorwoche hatte Ulla Jelpke in der UZ kommentiert: „die dafür notwendigen Gesetze bestehen seit langem“ (ebd., Nr. 3 v. 22.1., S. 9).

In dem Düsseldorfer Aufruf „Niemand braucht euch“ wird die geforderte Strafrechtsverschärfung deshalb beanstandet: „…bevor von allen Seiten … härtere Strafen gefordert werden, lasst doch die ExpertInnen … prüfen, ob die derzeitige Gesetzeslage für die Vergehen in Köln nicht ausreichend sind.“

Der Strafrechtswissenschaftler und Vorsitzende BGH-Richter Prof. Dr. Thomas Fischer wundert sich darüber, dass nach noch nicht geltendem Recht rechtspolitisch „in bemerkenswerter Übereinstimmung von CDU-Fraktion, Juristinnenbund, Linken und ‚Bewegungen’ verschiedener Art … vielfach gefordert (wird), § 177 I Nr. 3 (StGB Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung in schutzloser Lage; T. E.) dahin zu ändern, dass jegliche sexuelle Handlung ‚gegen den Willen‘ einer anderen Person als sexuelle Nötigung bestraft werden solle“ (unter Berufung auf die sog. Istanbul-Konvention des Europarates von 2011).

Diese geforderte Ergänzung bewirke weder einen besseren Schutz sexueller Selbstbestimmung noch genüge sie dem verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheitsgebot des Art. 103, Abs. 2 des Grundgesetzes.

In der Diskussion würde weiterhin alles durcheinandergebracht. „Selbst wenn man jegliches Handeln ‚gegen den Willen‘ einer Person als strafwürdig ansehen wollte – das Strafgesetz würde in diesem Fall in jede Richtung praktisch beliebig ergänzbar! –, ist damit doch nicht die Frage beantwortet, ob es sich um eine ‚Nötigung‘, also ein erzwungenes Verhalten des Opfers handelt. Soweit in der politischen Polemik … ein weiteres Mal behauptet wird, es bestehe eine Gesetzeslücke in Fällen, in denen das Opfer aus Angst vor Gewalt keinen Widerstand leistet, ist dies falsch: Genau diesen Fall erfasst (§ 177) I Nr. 3 (StGB)“ (Ders., Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, Kurzkommentar, 62. Aufl., München 2015, § 177, Rdnr. 39a, S. 1229; s. a.: http://www.zeit.de/2014/42/strafrecht-vergewaltigung-missbrauch/komplettansicht – 29.1.16)).

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"Strafverschärfung ist niemals links!", UZ vom 5. Februar 2016



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