Trump versucht, den Globalen Süden zur Gefolgschaft zu zwingen

Strategische Entscheidung gefordert

Man kennt das aus zahlreichen Hollywoodfilmen: Zwei große Männer mit ausgebeulten Jacketts und tief ins Gesicht gezogenen Hüten verlangen von dem verschreckten Restaurantbesitzer ein sattes Schutzgeld, das dieser kaum aufzubringen vermag. Verzweifelt fragt er daher, vor wem er denn geschützt werden müsse. „Vor uns natürlich“; grinsen ihn die Mafiosi an. Falls er nicht zahle, sei sein Laden nächste Woche eine Ruine. Er könne allerdings das Schutzgeld erheblich reduzieren, wenn er seinen Großlieferanten beseitige, der ihnen und sicher auch ihm doch schon lange ein Dorn im Auge sei.

Das beschreibt in etwa den Stil, mit dem die Trump-Regierung in ihrer zweiten Amtszeit vorgeht. Mit wüsten Drohungen das Gegenüber einschüchtern und, nachdem das genügend gewirkt hat, ein „freundliches Angebot, das man nicht ablehnen kann“ unterbreiten. Auf dem Feld des Zoll- und Wirtschaftskrieges bedeutet das: Prohibitive Zölle jenseits von 100 Prozent anzukündigen, das Feilschen um den genauen Wert ist Teil der Strategie, und dann die Umsetzung der Drohung mit einer politischen Forderung zu verknüpfen. Und die lautet schlicht: Einstellung aller Investitions- und Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik China. Hier geht es nicht um einen oder einzelne Staaten, welche zum Boykott gegen China „motiviert“ werden sollen, sondern um alle Länder des Globalen Südens. Selbst solch enge Verbündete und Brüder im Geiste wie der argentinische Holzhammer-Neoliberale Javier Milei werden mit Zöllen erpresst. Der Globale Süden soll mit China das gleiche tun, was die EU mit Russland getan hat: Die „Mutter aller Sanktionen“ verhängen und China in den Bankrott treiben. Auch wenn man sich dabei selbst ruiniert.

Nun erscheint es fraglich, ob die Begeisterung über einen derart ruinösen Kurs im Globalen Süden ebenso enthusiastisch ist wie in den europäischen Staatskanzleien. Es soll ja Regierungen geben, auch bürgerliche, denen das Wohlergehen ihrer Staaten und Bevölkerungen am Herzen liegt. Die VR China ist nicht irgendwer. Das Land verfügt über die mit Abstand weltweit größte industrielle Produktionskapazität. Es ist führend in fast allen industriellen und hochtechnologischen Produktionssparten. Das Volumen des chinesischen Außenhandels hat in 2024 laut chinesischem Zollamt den astronomischen Wert von 43,85 Billionen Yuan (6,02 Billionen US-Dollar) erreicht. China hat gute oder erstklassige Handelsbeziehungen zu praktisch allen 200 Ländern des Globus. Es ist mit seinen Belt-and-Road-Infrastrukturprojekten in praktisch allen Ländern des Globalen Südens vertreten. Der Boykott Russlands bedeutet für Europa partielle Deindustrialisierung. Der Boykott Chinas würde für den Globalen Süden den Ruin und den Verlust jeglicher Entwicklungsperspektive bedeuten. Ohne die industrielle Supermacht im Osten Asiens sind weder die BRICS noch die infrastrukturelle Durchdringung Asiens, Afrikas und Lateinamerikas vorstellbar. Trump hat den ganz großen Knüppel ausgepackt. Selbst wenn er ihn wieder einpackt, wird das die Welt dauerhaft verändern.

War die Beschlagnahme der russischen Vermögenswerte in Höhe von rund 300 Milliarden US-Dollar ein deutlicher Weckruf an alle, die im Dollarraum investiert sind, so ist der Zollkrieg in seiner aktuellen Zuspitzung ein klares Signal, dass Washington jegliche Hemmung verloren hat und völlig skrupellos sein MAGA-Projekt (Make America Great Again) durchziehen möchte. Wie schon in Südwestasien und Osteuropa interessiert nicht, ob dabei Hunderttausende über die Klinge springen müssen und ganze Staaten dem Erdboden gleichgemacht werden. Das Einzige, was zählt, ist die Sicherung des Vormachtanspruchs des „Werte-Westens“. Was aber jeder BWL-Student im Grundstudium lernt ist Risikominimierung. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man an der Börse zockt oder einen großen Industriebetrieb führt und strategische Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich zu verantworten hat. Jeder Unternehmenschef wird sich dreimal überlegen, ob es ratsam ist, in einem Land zu investieren, in dem eine derart erratische Politik zum Standard geworden ist. Selbst Einzelhandelsgiganten wie Walmart sehen sich ohne China binnen Wochen mit leeren Regalen konfrontiert.

Die Mafia-Methoden der Trump-Regierung zwingen dem Globalen Süden eine strategische Entscheidung auf. Entweder für einen zunehmend repressiv-erpresserisch handelnden Hegemonen, der seine besten Jahre längst hinter sich gelassen hat, oder für die aufstrebende Kooperation des Globalen Südens, die noch ganz am Anfang ihres Aufstiegs, am Anfang ihrer Süd-Süd-Kooperation und am Anfang ihrer Befreiung aus Armut, Hunger und Massenelend steht. Die Welt braucht Stabilität, Win-win-Kooperation und sie braucht die VR China. Was sie nicht braucht, sind die Mafia-Typen vom Potomac.

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"Strategische Entscheidung gefordert", UZ vom 2. Mai 2025



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