Mit der Agenda der Bundesregierung ist die Zerschlagung der Deutschen Bahn nicht vom Tisch – im Gegenteil

Stückwerk

Mit der „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ will die Bundesregierung den jahrelangen Niedergang der Deutschen Bahn aufhalten. Verkehrsminister Patrick Schnieder verspricht modernisierte Infrastruktur, digitale Steuerung und pünktlichere Züge. Doch hinter den wohlklingenden Ankündigungen stehen verschobene Ziele, unklare Finanzierungen – und eine gefährliche Weichenstellung für die Zukunft der Bahn.

Erste Reaktionen aus der Presse waren ernüchternd: Die Agenda des Ministers sei „über weite Strecken unverbindlich und unambitioniert“. Sie sei voll von „Allgemeinplätzen“. Besondere Kritik erntete Schnieder dafür, dass er das Ziel einer Pünktlichkeitsquote von 70 Prozent im Fernverkehr auf Ende 2029 verschob, also drei Jahre später als bislang angekündigt. Für die Fahrgäste ist das ein deutliches Signal. Auch die Finanzierung vieler Projekte bleibt unklar. Zentrale Instrumente wie eine Trassenpreisreform, der neue Infraplan und die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LV InfraGO) sollen erst ab 2027 greifen.

Brisant ist, dass die Agenda – ebenso wie in der Begründung des vom Bundestag beschlossenen Infrastrukturfonds – ausdrücklich die „Verteidigungsfähigkeit“ als Begründung für milliardenschwere Investitionen in die Schieneninfrastruktur anführt. Damit wird immer deutlicher, dass die Bahn als ein wichtiger Bestandteil der militärischen Logistik betrachtet wird. Diese Orientierung verschiebt den Fokus weg vom verkündeten „Gemeinwohlauftrag“ der Deutschen Bahn AG.

Auch aus den Reihen der Beschäftigten kommt deutliche Kritik. So warnt die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vor einem Reformprozess, der ohne enge Einbindung der Beschäftigten läuft. Die Gewerkschaft sieht die Gefahr, dass mit den Modernisierungsplänen letztlich ein massiver Umbau auf Kosten des Personals stattfindet und dass der Konzern weiter in seine Einzelteile zerlegt werden soll.

Tatsächlich deutet die geplante Neuordnung der DB-Strukturen auf eine schleichende Zerschlagung des Konzerns hin. Die Trennung von Infrastruktur und Betrieb, die Umbesetzung der Aufsichtsräte und die zunehmende Aufspaltung der Geschäftsfelder ebnen den Weg für eine Zerschlagung der Bahn in renditeorientierte Einzelteile – ohne dass der Bund die überfällige Frage stellt, ob die privatrechtliche Form der Aktiengesellschaft überhaupt verändert werden muss. Dieses Renditeprinzip, das durch die jahrelange Unterfinanzierung der Infrastruktur durch die Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte verstärkt wurde, hat den Verfall des Netzes, den Personalabbau und den Investitionsstau entscheidend mitverursacht.

Mit der jetzt vorgelegten Agenda erkennt Schnieder zwar den maroden Zustand der Bahn und die Notwendigkeit staatlicher Steuerung an. Doch er verschiebt ehrgeizige Ziele nach hinten, verknüpft die Finanzierung mit militärischer „Verteidigungsfähigkeit“ und öffnet mit der strukturellen Aufspaltung die Tür zur Zerschlagung. Wer die Bahn zukunftsfähig machen will, muss sie aus der Fessel der rendite-orientierten Aktiengesellschaft befreien und als gemeinnütziges Unternehmen unter demokratischer Kontrolle neu aufstellen. Alles andere bleibt Stückwerk – und gefährdet die dringend notwendige sozial-ökologische Verkehrswende.

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"Stückwerk", UZ vom 3. Oktober 2025



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