„Passt auf, wo macht ihr euer Kreuz?“ André Thierig ist Leiter des Tesla-Werks im brandenburgischen Grünheide. Auf einer Betriebsversammlung warnte er die Beschäftigten davor, bei den kommenden Betriebsratswahlen für die IG Metall zu stimmen. Das „Handelsblatt“, dem eine Aufzeichnung seiner Rede vorliegt, zitierte Anfang der Woche einige seiner Aussagen, die als Versuch direkter Beeinflussung gewertet werden können.
Thierig selbst sieht seine Anti-IG-Metall-Tirade als „Aufklärung“ und „Information“, die nötig sei, damit die Beschäftigten auch genau wüssten, wofür sie ihr Kreuz machten, wenn sie für die IG Metall stimmen würden. „Es nervt mich unglaublich, aber dieser unsägliche Konflikt mit der IG Metall ist einfach ein sehr präsentes Thema“, so Thierig. Und weiter: „Sie befassen sich mit Themen, die passen nicht zu uns.“
Diese Themen sind: ein Tarifvertrag, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder auch die Forderung nach Weihnachtsgeld. Für den Werksleiter sind das alles rote Tücher. Das entspricht der Haltung seines Herrn, Elon Musk. Der Tesla-Chef ist selbst ein notorischer Gewerkschaftsfeind und versucht weltweit, jedwede demokratische Mitbestimmung in seinem Konzern zu verhindern.
Auch Tarifverhandlungen will Werksleiter Thierig mit der IG Metall nicht führen: „Wir verhandeln nicht mit der Gewerkschaft. Das haben wir nie getan und das haben wir auch in Zukunft nicht vor.“ Er wies zudem darauf hin, dass eine Gewerkschaftsmitgliedschaft niemanden vor einer Kündigung schütze. Und er schob gleich noch eine Drohung hinterher: „Tesla fährt ohne Gewerkschaften besser als mit. Wer sich immer nur dagegen positioniert und Stimmung macht, schlechte Stimmung macht, der gehört nicht zu uns“, so Thierig weiter.
Die von der IG Metall unterstützte Liste hatte im Frühjahr 2024 die meisten Mandate erhalten. Eine eigene Mehrheit hat sie aber nicht. Offenbar hat Thierig Sorge, dass sich dies ändern könnte, zumal die managementhörige Betriebsratsmehrheit zu offensichtlich zeigt, dass sie kein Interesse daran hat, die Probleme der Beschäftigten zu lösen. Laut Betriebsverfassungsgesetz dürfen „Arbeitgeber“ aber keinen Einfluss auf die Betriebsratswahlen nehmen. Thierigs Verbalattacke auf die IG Metall könnte also Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werden.
Jan Otto ist neuer Bezirksleiter der IG Metall in Berlin, Brandenburg und Sachsen. Er kündigte an, den Druck auf Tesla erhöhen zu wollen. Mit Blick auf die Verweigerungshaltung der Werksleitung sagte Otto: „Man kann mit mir wunderbare Deals machen. Aber wenn man die nicht machen will, dann gibt es auch mal kräftig auf die Nase.“ Tesla setze die Beschäftigten auf verschiedenen Wegen unter Druck. Krankgeschriebene Beschäftigte würden drangsaliert und überwacht. Gezahlter Lohn werde sogar zurückgefordert, um Beschäftigte letztlich dazu zu drängen, bei wiederholter Krankschreibung Aufhebungsverträge zu unterschreiben. Außerdem sei Tesla bekannt dafür, Beschäftigte in der Probezeit wieder zu entlassen. Es gebe eine hohe Fluktuation im Werk. Tesla-Beschäftigte, die sich bei der IG Metall engagieren oder mit der Gewerkschaft in Kontakt treten, müssten damit rechnen, Nachteile zu erfahren oder zu Einzelgesprächen gebeten zu werden.
Zur Ansage von Thierig, er werde mit der Gewerkschaft nicht verhandeln, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Otto: „Wir werden über kurz oder lang einen Tarifvertrag bei Tesla haben.“ Bei den kommenden Betriebsratswahlen will die Gewerkschaft eine Mehrheit der Mandate erringen, „damit der Betriebsrat endlich die Interessen der Belegschaft vertritt und nicht mehr die des Managements“.