Betr.: „Umerziehung gescheitert“, UZ vom 21. Juni

Unterschiedliche Lebenserfahrungen

Von Gerhard Naumann, per E-Mail

In dem Artikel gibt es nur eine Stelle, die wirkliche Ursachen beschreibt: Hans Bauer stellt zu recht fest, dass „zu einem umfassenden Bild auch (gehört), den Charakter der politischen Macht in der DDR zu benennen – und die Notwendigkeit, diese Macht zu sichern“.

Im Folgenden wird aber dieser Auffassung nicht gefolgt, sondern dauernd von der anderen „Mentalität“ der Ostdeutschen als entscheidendem Moment gesprochen. Wenn vom „Unrechtsstaat“ gesprochen wird, dann sei die Lebensleistung der DDR-Menschen „missachtet“ worden. Dieser im Kalten Krieg (der kommt im Artikel wie manch anderes überhaupt nicht vor) verbreitete antikommunistische Kampfbegriff verteufelt nicht nur die Lebensleistung, sondern in erster Linie die Friedenspolitik und die auf das Volkswohl gerichteten Machtverhältnisse in der DDR. Nicht nur, wie hier, und gar nicht in erster Linie in kultureller Hinsicht. Der „bürgerliche Mainstream“ weiß da viel besser, worauf es ankommt. Eine „Lebensleistung“ kann auch – und muss auch – in einem Unrechtsstaat vollbracht werden, das wird in der ehemaligen wie in der jetzigen BRD längst nachgewiesen. Die Menschen müssen ja leben. Und der Kalte Krieg hat da manche Bresche in die „Lebensleistung“, sprich, in das Lebensniveau geschlagen. Wir mussten uns wehren und hätten die Mittel dafür lieber für Soziales verwendet.

Außerdem: es gibt nirgendwo eine gleiche, sprich, einheitliche Mentalität. Weil die Lebenserfahrungen der Menschen unterschiedlich sind. Vor allem, weil die sozialen und auch kulturellen Verhältnisse in jedem Land unterschiedlich sind …

Patrik Köbele spricht von der Enttäuschung der Menschen, die da meinen: „Wir haben es zwei Mal mit links versucht, einmal mit der DDR, einmal mit der Linkspartei.“ Abgesehen davon, dass es unzulässig, aber vom Mainstream gewollt ist, beides gleichzusetzen: dieses „Fazit“ hat sich nicht eingegraben, sondern wird seit langem täglich eingehämmert, weil a) die Herrschenden immer noch eine Heidenangst vor der DDR haben und weil b) sie reaktionäre Kräfte wie die AfD u. a. nach vorne schieben wollen. Klassenkampf! (…)

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"Unterschiedliche Lebenserfahrungen", UZ vom 5. Juli 2019



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