Nach neun Warnstreiks hat sich die Belegschaft des Dönerfleischherstellers Birtat in Murr (nahe Stuttgart) für einen unbefristeten Streik entschieden. Dort arbeiten rund 120 Beschäftigte. In einer Urabstimmung am 30. Juli stimmten alle NGG-Mitglieder im Betrieb mit Ja, also für den Streik.
Diese Einigkeit und Entschlossenheit war auf der Demonstration am Tag nach der Urabstimmung deutlich zu spüren. Rund 150 Menschen – Beschäftigte sowie Unterstützerinnen und Unterstützer – zogen in einem kämpferischen Demozug durch die Innenstadt von Ludwigsburg. Es war der zehnte Streiktag bei Birtat. Die beliebteste Parole war eindeutig: „Tarifvertrag JETZT“. Genau das ist ihr zentrales Anliegen. Dafür kämpfen die Kolleginnen und Kollegen seit vielen Monaten.
Die Tarifverhandlungen begannen bereits im Februar. Es geht dabei um den ersten Tarifvertrag in der deutschen Dönerfleischindustrie überhaupt. Die tariflichen Regelungen sollen der Willkür bei der Entlohnung einen Riegel vorschieben.
Die NGG fordert für alle Beschäftigten 375 Euro mehr im Monat, denn mit den aktuellen Löhnen, die zwischen 2.300 und 3.300 Euro brutto liegen, kann in der teuren Region Stuttgart kaum jemand überleben. Die Beschäftigten und ihre Familien können sich nicht einmal den von ihnen selbst hergestellten Döner leisten. Auf der anderen Seite sieht es ganz anders aus. Die Chefs von Birtat stecken sich gerne mal die eine oder andere Million in die Tasche, wie Streikende berichten.
Birtat ist einer der größten Dönerspießhersteller Deutschlands mit Hauptsitz in Murr. Der Jahresumsatz liegt bei etwa 200 Millionen Euro. Nach Firmenangaben erreicht das Dönerfleisch aus dem Werk jeden Monat etwa 13 Millionen Endkundinnen und -kunden.
Laut Gewerkschaft zeigte Birtat in den vielen Verhandlungsrunden der letzten sechs Monate keinerlei Willen, auf die Forderungen der Belegschaft einzugehen. Die Fronten sind so verhärtet wie nie zuvor. Bereits bei der Gründung des Betriebsrats im September 2024 gab es Druck und Einschüchterungsversuche durch die Geschäftsleitung. Mit einer Streikabbruchprämie von 200 Euro pro Tag versuchte sie, die Belegschaft zu spalten, was ihr jedoch nicht gelang.
Auf der Demonstration herrschte eine gute, kämpferische und solidarische Stimmung. Es gab Musik, gemeinsame Tänze und lautstarke Parolen. Dies setzte sich auf der Kundgebung fort. Alle Reden und die zahlreichen Solidaritätsbotschaften wurden in vier Sprachen vorgetragen: Deutsch, Türkisch, Bulgarisch und Rumänisch. So sollen alle Beschäftigten informiert und einbezogen werden. Immer wieder wurde hervorgehoben, wie entschlossen und einig die Kolleginnen und Kollegen sind und mit wie viel Mut und Kampfeswillen sie solidarisch für ihre Rechte kämpfen.
Die Streikenden erhielten zahlreiche Grußworte von ganz unterschiedlichen Organisationen, darunter von der Geschäftsführung des DGB und von ver.di, von IG-Metall-Vertretern und Betriebsräten aus unterschiedlichen Betrieben, von migrantischen Organisationen wie DİDF, vom Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften, von der SDAJ und von der Linkspartei. Sogar aus Brasilien gab es Solidaritätsgrüße. Ende Juli hatte in São Paulo ein deutsch-brasilianischer Gewerkschaftsaustausch von Automobilarbeitern stattgefunden, der sich mit den Streikenden solidarisch erklärte. „Hoch die internationale Solidarität“ – das war die passende Parole.
Das Zukunftsforum hob die Bedeutung des Kampfes der Birtat-Belegschaft hervor: „Es wäre ein wichtiger Erfolg für die gesamten Belegschaften von Dönerfleischherstellern wie für die gesamte Gewerkschaftsbewegung, wenn ihr als erste Belegschaft in dieser Branche eine Tarifbindung bei Birtat erkämpfen würdet. Das hätte sicher Signalwirkung für andere Betriebe. Denn auch schon jetzt hat euer Streik ja Signalwirkung! Höchste Zeit, dass in dieser Branche endlich Tarifverträge Einzug halten!“