Zum Rücktritt von Michael Neumann

Weiter ohne „Klobürsten-Senator“

Von Birgit Gärtner

Sein Studium an der Helmut-Schmidt-Universität (Bundeswehr-Uni) führte den gebürtigen Dortmunder Michael Neumann 1992 nach Hamburg. Dort zog der Offiziersanwärter 1997 als SPD-Abgeordneter in die Bürgerschaft ein. Vier Jahre später, in der Ära Schill, wurde er innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, 2004 Fraktionsvorsitzender. 2009 begann er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bundeswehr-Uni, 2010 wurde er dort Lehrbeauftragter im Range eines Oberregierungsrates. Nach seiner Vereidigung als Senator für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg am 23. März 2011 in der Regierung unter dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wurde er von der Lehrtätigkeit beurlaubt. Am Montag vergangener Woche trat er von seinem Amt als Innensenator zurück.

„Es ist wegen Olympia“ munkeln viele. Er selbst bestreitet diesen Zusammenhang. Seine Amtszeit ist gekennzeichnet von vielen – sagen wir mal – Problemen, von denen jedes einzelne einen Rücktritt rechtfertigen würde. Zum Beispiel der gnadenlose Umgang des Scholz-Senats mit den Lampedusa-Flüchtlingen, die seit April 2013 für ein Bleiberecht kämpfen und aufgrund der harten Haltung u. a. von Scholz und Neumann größtenteils bis heute obdachlos in der Hansestadt leben.

Zum Beispiel der Skandal um das „Gefahrengebiet“ im Januar 2014. Damals wurde in dem Areal um die Stadtteile St. Pauli und Sternschanze großflächig der Ausnahmezustand verhängt. Grund dafür war ein Angriff auf die David-Wache, Hamburgs berühmteste Polizeistation nach dem Großstadtrevier, wie Jan Kahlcke in der Tageszeitung spöttelte. Diesen Angriff allerdings hat es aller Wahrscheinlichkeit nach nie gegeben. Weshalb das „Gefahrengebiet“ quasi posthum von Gerichten für verfassungswidrig erklärt wurde. Seinerzeit hatte es die Klobürste als Zeichen des Widerstandes der Anwohnenden in alle Medien gebracht – was Neumann den Beinamen „Klobürsten-Senator“ einbrachte.

Auch ein Beispiel die völlig unsinnige Bewerbung für Hamburg als Austragungsort der Olympischen Spiele im Jahre 2024. Allein die Werbung für die Bewerbung hat 5,3 Mio. Euro verschlungen, die besser in den Breitensport investiert worden wären.

Oder aber in die Unterbringung von Flüchtlingen. In dem Punkt hat der Hamburger Senat total versagt. Erst kürzlich wurden wieder Flüchtlinge trotz der eisigen Temperaturen in Zelten untergebracht. Von miserablen hygienischen Bedingungen in den Massenunterkünften ist die Rede, von Schimmel und von Ratten, von Mangelernährung und mangelnder medizinischer Versorgung. Dafür ist auch Innensenator Neumann zuständig. Zur Verantwortung gezogen wird er dafür indes nicht. Die übernimmt jetzt Andy Grote (SPD). Neumann kann die politische Bühne verlassen, ohne sich je um die Folgen seiner Politik kümmern zu müssen.

Allerdings trägt Grote als bisheriger Leiter des Bezirksamts Hamburg-Mitte ein gerütteltes Maß an Mit-Verantwortung für viele der genannten Probleme. So ließ der Bezirk Hamburg-Mitte z. B. einen Park in der Nähe des Hafens räumen, in dem die obdachlosen Lampedusa-Flüchtlinge im Sommer 2013 Zelte aufgeschlagen hatten.

2014 gingen Bilder um die Welt, auf denen ein Stahlzaun unter einer Brücke in der Nähe der Reeperbahn zu sehen war. Dieser Zaun war vom Bezirks­amt Mitte errichtet worden, um die Obdachlosen, die den Ort als Schlafplatz genutzt hatten, zu vertreiben.

Nicht existente Datei enthält

Informationen über 2000 Fußball-Fans

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wird sich Grote einer weiteren Altlast stellen müssen: Eine Anfrage der innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Christiane Schneider, an den Senat ergab, dass sogenannte szenekundige Beamte (SKB) der Hamburger Polizei fast zehn Jahre lang in einer geheimen Datenbank Informationen über mehr als 2 000 Fußballfans sammelten. Etwa 30 Prozent der Personen, deren Daten vorsorglich gespeichert wurden, sind allerdings noch nie irgendwie im Zusammenhang mit Straftaten in Erscheinung getreten. Dieser Polizeiskandal wird die Hansestadt vermutlich noch eine Weile beschäftigen. Zumal die Behörden in der Vergangenheit bestritten, dass eine solche Datei existiert.

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"Weiter ohne „Klobürsten-Senator“", UZ vom 5. Februar 2016



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