Dumme Fragen, schräge Antworten: Schwerdtners Fiasko im Sommerinterview und das Grundproblem der „Linken“

Wie man sich bettet

Fast schon hätte man Mitleid mit ihr haben können. Als sich die Ko-Vorsitzende der Linkspartei Ines Schwerdtner am vergangenen Sonntag zum ZDF-„Sommerinterview“ einfand, wurde ihr mit dem Moderator Wulf Schmiese ein ganz besonderer Vertreter des deutschen „Qualitätsjournalismus“ gegenübergesetzt.

„Parlament oder Straßenkampf, das ist die Frage“, klammerte Schmiese das Gespräch ein. Von Schwerdtner wollte er unter anderem wissen, ob „aus dem Genpool der SED irgendetwas noch bewahrenswert ist“ oder warum Schwerdtner in Interviews Begriffe verwende, die man „aus dem Arbeiter-und-Bauern-Staat“ kenne. Gemeint waren Begriffe wie „Kader“ oder „arbeitende Klasse“. Nach dem DDR-Bashing, dem sich Schwerdtner durch ausweichende Antworten entzog, ging es weiter bergab. Die Regie spielte ein Video ein, auf dem die Bundestagsabgeordneten der „Linken“ gemeinsam „Alerta, alerta antifascista!“ skandierten. Das sei „sozusagen der Code-Ruf der Antifa“, stand Moderator Schmiese zu seiner Bildungslücke. „Wollten Sie Angst machen?“

Der „schlimmste Faschist“ sei derzeit sowieso der russische Präsident Wladimir Putin, ließ Schmiese dann vernehmen. Die Forderung, das EU-Assoziierungsabkommen mit Israel auszusetzen, kommentierte der Moderator mit den Worten: „Das gab’s schon mal vor 90 Jahren.“ Seine „Frage“ dazu: „Sie als Antifaschistin wollen das wirklich – kauft nicht bei Juden – unterstützen?“

Eine echte politische Diskussion konnte sich unter diesen Bedingungen nicht entwickeln. Fraglich ist aber auch, ob sie mit einer halbwegs zurechnungsfähigen Moderation zustande gekommen wäre. Denn die kleinen Räume, die Schwerdtner im Interview hatte, nutzte sie für eine Zurschaustellung von Seltsamkeiten. Dass „Die Linke“ mit dabei geholfen hatte, Friedrich Merz (CDU) einen schnellen zweiten Wahlgang zu ermöglichen, nachdem er im ersten Versuch gescheitert war, begründete Schwerdtner zum Beispiel so: „Wir wollten nicht, dass ein Chaos ausbricht im Deutschen Bundestag. Weil wir mehrere Tage keinen Kanzler gehabt hätten. Wer weiß, wer wen aufgestellt hätte.“

Eine „Linke“, deren größte Sorge in einer kanzlerfreien Zeit besteht und die fürchtet, dass neben dem vorgesehenen reaktionären CDU-Kriegstreiber noch ein anderer Kandidat aufgestellt werden könnte, führt eine parlamentarische Auseinandersetzung ohne erkennbares Ziel – außer dem der Einbettung. So wundert es nicht, dass Schwerdtner noch einmal darauf hinwies, dass die schwarz-rote Regierung auf „Die Linke“ angewiesen sei, um Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit durchzusetzen. Die CDU müsse mit ihrer Partei sprechen. „Wenn sie dazu nicht in der Lage ist, dann kann sie auch nicht regieren.“

Unklar ist, ob es Sorge über die Regierungsfähigkeit der CDU war, die die beiden Parteivorsitzenden dazu veranlasst hat, die Faschismusdefinition zu übernehmen, mit der der bürgerliche Kriegszirkus seine Feinde brandmarkt. Schon der Ko-Vorsitzende Jan van Aken hatte seinen Auftritt im „ARD-Sommerinterview“ genutzt, um die Hamas als „faschistische Organisation“ zu bezeichnen. Auf eine argumentative Herleitung dieser Behauptung verzichtete van Aken. Sehr genau auf seine Wortwahl bedacht war er allerdings, als die Moderatorin ihn nach einem palästinasolidarischen Sommerfest fragte, das „Die Linke Neukölln“ veranstaltet hatte. Dort hätten nicht nur „Hamas-Unterstützer“ teilgenommen, in der Einladung habe auch noch das Wort „Genozid“ gestanden, rügte die Moderatorin. Über diesen Begriff könne man „lange streiten“, so van Aken. Viele Menschen in Deutschland würden das Vorgehen Israels in Gaza als Genozid bezeichnen. Aber: „Wir sagen das nicht als Partei.“

Mit derartigen Manövern lädt die Parteispitze die bürgerlichen Medien geradezu dazu ein, die linke Bewegung in Deutschland zu diskreditieren. Sie fällt aber auch der eigenen Basis in den Rücken, die auf dem vergangenen Parteitag eine deutlichere Opposition zur „Staatsräson“ gefordert hatte. In einem beschlossenen Antrag wurde unter anderem festgehalten, dass der israelischen Regierung Faschisten angehören und dass der Krieg gegen Gaza von renommierten internationalen Wissenschaftlern als Genozid eingestuft wird.

Anbiederungsversuche und politische Unklarheit ermöglichten erst das Theater, dem sich Ines Schwerdtner im „Sommerinterview“ ausgesetzt sah. Die Klaviatur, auf der Schmiese spielte, hatten sie und ihr Ko-Vorsitzender selbst bereitgestellt. Wer keine klare Haltung zum Faschismus hat, keine wahrnehmbare Meinung zur NATO und kein Verhältnis zum genozidalen Vorgehen eines kolonialistischen Unterdrückerstaates, muss sich über dumme Fragen nicht wundern. Wer die Narrative der Kriegstreiber übernimmt, kann bestenfalls noch strategische Debatten darüber führen, wie man „den Russen“ am besten unter Druck setzen kann. Genau das tut van Aken, wenn er gefühlte Ewigkeiten über die Bekämpfung der russischen „Schattenflotte“ spricht. Und Schwerdtner reiht sich ein, wenn sie die Frage nach der Aussetzung des EU-Assozierungsabkommens damit beantwortet, sie wolle die israelische Regierung „wirtschaftlich schwächen, genauso wie ich Putin mit Wirtschaftssanktionen schwächen möchte“.

Moralisches fabulieren und weltanschauliches Durcheinander bereiten den Boden dafür, dass sich „Die Linke“ trotz Wahlerfolgen und steigenden Mitgliedszahlen selbst aus dem Spiel nimmt, wenn es um die großen Fragen unserer Zeit geht: die Abwehr eines großen Krieges und das Ende des Genozids in Gaza. Nun sind die Basismitglieder und die Linken in der „Linken“ gefordert, um ihre Partei durch Druck auf die Führung und den parlamentarischen Arm in eine klare Opposition zu zwingen. Wünschenswert wäre es.

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"Wie man sich bettet", UZ vom 29. August 2025



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