Parteitag in Halle: Ines Schwerdtner und Jan van Aken wollen „Die Linke“ zum Comeback führen

Friedensfreunde und Wirtschaftskrieger?

In Halle will „Die Linke“ den Neustart versuchen. Knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl kommt die Partei an diesem Wochenende zum Bundesparteitag zusammen. Nach einer Serie von Wahlniederlagen geben die Bundesvorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler ihre Ämter ab. Der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken und die Publizistin Ines Schwerdtner wollen übernehmen.

Die langjährige Abgeordnete Gesine Lötzsch aus Berlin-Lichtenberg, die nicht noch einmal antreten will, gibt mit auf den Weg: „Wichtig ist, dass die Leute sagen können: Wofür steht die Linke.“ Im Programm stehe, „dass wir gegen Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete sind“. Blöd nur, dass das nicht alle so sehen. Gerade erst hat die auf dem „Linke“-Ticket ins EU-Parlament gewählte Carola Rackete für die Entsendung von „Taurus“-Marschflugkörpern in die Ukraine gestimmt. Der geschäftsführende Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow will deutsche Panzer für Kiew. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.

Und die Neuen in spe? Die wollen „Die Linke“ in den Diskurs der NATO-kompatiblen Parteienlandschaft einbetten. Dazu gehört die Reproduktion der gängigen Feindbilder wie auch die Unterstützung von Wirtschaftskriegen.

Ines Schwerdtner führt das in einem gerade vorgelegten Papier „Außenpolitik für Erwachsene“ vor. Die Linkspartei, die sich in einer schweren Krise befindet, könne „nur als Friedenspartei überleben“ und stelle sich einer breiten bellizistischen Front entgegen. Ohne auf Ramelow und Co. einzugehen proklamiert Schwerdtner, die Partei wende sich weiter gegen Waffenlieferungen, setze sich für maximalen diplomatischen Druck und als letztes Mittel für Wirtschaftssanktionen ein.
Schwerdtner mahnt: „Wir müssen als Partei aber ebenso Distanz zu all jenen Stimmen wahren, die eine unkritische prorussische Perspektive einnehmen oder die vergessen, dass auch in einem asymmetrischen Konflikt wie im Nahen Osten Zivilisten Zivilisten bleiben.“ Und man müsse auch „schmerzliche Kompromisse“ in Kauf nehmen. Wenn ein Friedensschluss „von der ukrainischen Gesellschaft getragen wird, wäre es zwar unschön, aber hinnehmbar, dass Putin damit auch einen Teil seiner Kriegsziele erfüllt“. Im Nahostkonflikt müssten beide Seiten akzeptieren, „dass die Sicherheit und Selbstbestimmung der anderen Seite nicht verhandelbar ist“. Das Eintreten für Frieden in der Welt, „wie sie ist, bedeutet notwendigerweise, dass die abstrakte Gerechtigkeit manchmal auf der Strecke bleibt und manche historischen Verbrechen ungesühnt bleiben“.

Die NATO kommt bei Schwerdtner nur vor mit dem Hinweis, dass die Mitgliedstaaten auch ohne die USA dreimal so viel für ihr Militär ausgeben wie Russland: „Es ist nicht so, als bestünde eine völlig einseitige militärische Übermacht Russlands und Europa sei wehrlos.“

Jan van Aken propagiert in seinem gerade erschienenen Buch „Worte statt Waffen. Wie Kriege enden und Frieden verhandelt werden kann“ vordergründig zivile Konfliktlösungen – wozu ausdrücklich Sanktionen zählen, also Wirtschaftskrieg. „Im Kern stimmt der Witz natürlich: Mit einer Yogamatte unterm Arm würde ich mich auch nicht zum IS oder zu Wladimir Putin begeben.“

Van Aken konstatiert, dass der Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland viel zu zögerlich geführt worden sei, „das Ölembargo wurde erst nach über einem Jahr wirksam“. Das Argument, ein solches Ölembargo hätte uns hier in Deutschland stärker getroffen als Russland, „trägt nicht“, so van Aken. „Mit einem 100-Milliarden-Paket für eine nachhaltige Energiewende – und für eine Dämpfung der Energiepreise für Verbraucher:innen – hätte man Russland den Geldhahn abdrehen und alle Folgen eines Ölembargos problemlos auffangen können.“

Der künftige „Linke“-Vorsitzende fordert die Ausweitung der Sanktionen auf „den oberen Mittelstand, das Herz der russischen Wirtschaft“, und macht sich die Maxime des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski nach einem „gerechten Frieden“ zu eigen. „Ein Frieden, in dem Russland große Teile des ukrainischen Territoriums kontrolliert, ist kein gerechter Frieden. (…) Denn dann würde Russland nichts mehr davon abhalten, noch weitere Nachbarländer zu überfallen, das würde nicht Frieden bedeuten, sondern noch mehr Krieg.“ Anders sagen das Hofreiter, Roth, Strack-Zimmermann und Kiesewetter auch nicht. Van Aken schiebt ein, der Krieg habe „schnell Züge eines Stellvertreterkrieges angenommen“, um dann mit links einen Persilschein auszustellen: dennoch „tragen EU und NATO keine Mitschuld am jetzigen Angriffskrieg in der Ukraine, wahrhaftig nicht“.

Zu derlei außenpolitischer Standortbestimmung passt, dass „Linke“-Abgeordnete im Europaparlament mittlerweile als Chorsänger von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) agieren. Mit dem Anstimmen von „Bella ciao“ wollten sie den ungarischen Präsidenten Viktor Orbán an den Pranger stellen, den einzigen europäischen Regierungschef, der bisher diplomatische Aktivitäten zur Beendigung des Ukraine-Konflikts entfaltet hat. Eine solche „Linke“ ist anschlussfähig an die Kriegsparteien. Gebraucht wird eine NATO-Antifa nicht.

Auf dem Bundesparteitag in Halle will „Die Linke“ nicht nur ihr Comeback starten, sondern auch ihren Kurs bestimmen. NATO-kritisch oder eingebettet? Völkerrecht oder Staatsräson? Klassenkampf oder „Bedingungsloses Grundeinkommen“? UZ ist wieder vor Ort und berichtet im Live-Ticker über die Wahlen und Diskussionen – natürlich begleitet von politischen Analysen und interessanten Innenansichten. Los geht es am Freitag, den 18. Oktober um 14 Uhr hier.

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"Friedensfreunde und Wirtschaftskrieger?", UZ vom 18. Oktober 2024



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