Bundesregierung beschließt BAföG-Novelle

Zum Lernen und Leben zu wenig

Von Markus Bernhardt

Studentinnen und Studenten werden nach wie vor von der Bundesregierung alleingelassen. Immer höhere Leistungsanforderungen, Anwesenheitspflichten in Universitäten und Fachhochschulen sowie steigende Mieten und Lebenshaltungskosten erhöhen den Druck auf die Studierenden. Angeblich um die Situation der Betroffenen zu verbessern, hatte die in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) eine BAföG-Novelle im Bundestag vorgestellt, die Mitte Mai mehrheitlich beschlossen wurde. Geht es nach den Plänen der Regierungskoalition, die noch vom Bundesrat abgesegnet werden müssen, stiege der Förderungshöchstsatz fortan von aktuell 735 Euro auf zukünftig 861 Euro monatlich. Auch der sogenannte Wohnzuschlag soll von 250 Euro auf 329 Euro erhöht werden. Um den Kreis der Studierenden zu erhöhen, die überhaupt BAföG-berechtigt sind, sollen auch die Einkommensfreibeträge der Eltern schrittweise angehoben werden.

Zwar sind dies alles zaghafte Verbesserungen, von der Kernproblematik lenken diese kosmetischen Korrekturen jedoch ab. Vonnöten sind – und das schon seit geraumer Zeit – eine radikale Neuaufstellung des BAföG-Bezuges und eine Anpassung an bestehende Lebensrealitäten. Wer sich ernsthaft auf sein Studium konzentrieren will und eben nicht über ein einkommensstarke Elternhhaus verfügt, steht vor der nahezu unlösbaren Aufgabe, die Inhalte des Studiums zu meistern, den Anwesenheitspflichten gerecht zu werden und parallel dazu Finanzquellen für Miete, Mobilität und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu finden. Dass an dieser Mammutaufgabe nicht wenige junge Menschen scheitern, ist keineswegs ein Geheimnis. Insofern dürfte auch nicht verwundern, dass sich die Freude über die Reförmchen der CDU-Ministerin in Grenzen halten.

„Die von der Politik versprochene Trendwende hin zu mehr BAföG-Empfängern wird mit dieser Novelle nicht gelingen. Zu schwer wiegen die Versäumnisse jahrelanger Nullrunden, die die Studierendenförderung systematisch geschwächt haben. Das BAföG war in den vergangenen Jahrzehnten eine Strickleiter des sozialen Aufstiegs. Heute bekommen nur noch 12,7 Prozent von 2,8 Millionen Studierenden BaföG, Tendenz sinkend“, sagte die Stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Die Ministerin müsse deshalb „noch in dieser Wahlperiode bei Freibeträgen und Bedarfssätzen eine weitere Schippe drauflegen“ und außerdem „zeitnah weitere Strukturreformen angehen“. Darüber hinaus müsse das Bafög sich an der Preisentwicklung orientieren und ein automatischer regelmäßiger Inflationsausgleich im Gesetz verankert werden, forderte Hannack. Anstatt einer Wohnkostenpauschale von 325 Euro, die in den großen Uni-Städten hinten und vorne nicht reiche, sei eine regionale Staffelung nach dem Wohngeldgesetz wesentlich sinnvoller, so die Gewerkschafterin weiter.

Zuspruch erhält der DGB auch von den Betroffen selbst, die sich ähnlich positionieren. Rund 8 450 Studierende haben bereits eine Online-Petition unterzeichnet, die den Titel „Das BAföG muss zum Leben reichen – Für eine grundlegende BAföG-Reform“ trägt. Auch das Deutsche Studentenwerk (DSW) übte Kritik: „Die Altersgrenzen im BAföG müssen abgeschafft werden, die Förderungshöchstdauer muss um mindestens ein Semester über die Regelstudienzeit hinaus verlängert werden, und auch das Teilzeitstudium muss gefördert werden“, erklärte Studentenwerk-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde.

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"Zum Lernen und Leben zu wenig", UZ vom 31. Mai 2019



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