Zum Arbeitssicherstellungsgesetz

Zwangsrekrutierung

Aufstockung der Streitkräfte, die Anschaffung neuer Waffensysteme sowie die verstärkte Präsenz der Bundeswehr in Schulen und auf Ausbildungsmessen. Dreieinhalb Jahre „Zeitenwende“ beinhalten längst mehr. Das Primat der Kriegstüchtigkeit hat inzwischen alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen.

So ist Kriegswirtschaft nicht nur für Rheinmetall, Hensoldt und andere Waffenschmieden eine Lizenz zum Gelddrucken. Längst haben weitere Branchen die jüngst beschlossenen Rüstungsausgaben ohne finanzielles Limit nach oben als Grundlage für ein alternatives Geschäftsmodell entdeckt. Das trifft insbesondere auf die kriselnde Automobil- und Zulieferindustrie zu.

In der Konsequenz schreitet auch die Umverteilung von unten nach oben immer weiter voran. Denn jeder Euro, der in Aufrüstung und Krieg investiert wird, fehlt für Soziales, Gesundheit und Bildung. Die von den Gewerkschaften geforderte Gestaltung der Transformation der Wirtschaft im Inte­resse der Beschäftigten ist spätestens mit der Zeitenwende der Logik der Kriegstüchtigkeit untergeordnet worden.

Die jüngsten Tarifauseinandersetzungen haben gezeigt, dass, wenn die finanziellen Mittel in Aufrüstung und Stellvertreterkriege gesteckt werden, gute Löhne und bessere Arbeitsbedingungen auf der Strecke bleiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn gleichzeitig auf eine angemessene Besteuerung großer Vermögen verzichtet wird.

In dieser gesellschaftlichen Atmosphäre haben die Regierenden die Notstandsgesetze aus dem Jahr 1968 wiederentdeckt. Das in diesem Rahmen geschaffene sogenannte Arbeitssicherstellungsgesetz wurde zu Jahresbeginn erweitert. Im Ergebnis wird im Krisen- oder Kriegsfall die – eigentlich vom Grundgesetz garantierte – freie Wahl des Arbeitsplatzes massiv eingeschränkt. Die Bundesagentur für Arbeit kann dann Menschen im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren in strategisch wichtige Bereiche zwangsversetzen oder auch Kolleginnen und Kollegen, die dort arbeiten, den Jobwechsel untersagen.

Doch es gibt Ausnahmen. So fallen ausgerechnet die Mitglieder der gesetzgebenden Organe Bundestag und Bundesrat nicht unter diese Regelung. Den Kopf in Krisen- und erst recht in Kriegszeiten hinzuhalten bleibt – wie schon in der Vergangenheit – der arbeitenden Klasse vorbehalten.

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"Zwangsrekrutierung", UZ vom 29. August 2025



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