Frauen in Österreich im Widerstand gegen den Faschismus

Angst, wer hätte die nicht gehabt?

Josephine Niemann

Der Widerstand gegen den deutschen Faschismus wird im bürgerlichen Diskurs ignoriert bis negiert. Das liegt unter anderem an einer mangelnden Aufarbeitung nach der Niederlage des deutschen Faschismus und fortgesetzten Repressionen gegen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer. So gingen viele Aktionen, unvorstellbare Opfer und Heldentaten verloren, obwohl sie einen bedeutenden Beitrag für die Befreiung Österreichs darstellen. Das wollen die vier Herausgeberinnen von „Der Himmel ist blau. Kann sein.“ beenden. Der weibliche Widerstand gegen den Faschismus in seiner Stärke und Besonderheit sollte in diesem Band festgehalten werden. 27 Frauen berichten aus ihrem Leben, ihrem Kampf und über ihre Beweggründe. Was sie erlebten und durchhielten ist berührend und zeigt, was weiblichen Widerstand auszeichnet.

0711 02 - Angst, wer hätte die nicht gehabt? - Antifaschismus, Elisabeth Holzinger, Frauen im Widerstand, Karin Berger, Lisbeth N. Trallori, Lotte Podgornik, Österreich, Promedia Verlag - Kultur

Für die meisten der befragten Frauen war ihre politische Überzeugung und ihre Einschätzung des Faschismus als Vernichtungsinstrument gegenüber der Arbeiterbewegung und ihrer Errungenschaften ausschlaggebend,um Widerstand zu leisten. Diese Frauen proletarischer Herkunft hatten schon früh lernen müssen, sich zu wehren, und viele von ihnen waren schon vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in kommunistischen oder sozialdemokratischen Verbänden organisiert und an illegalen Aktionen beteiligt. Die Schulungen und die Solidarität, die diese organisierten Frauen erfuhren, waren ein entscheidender Faktor für ihren Widerstand. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen organisierten sich viele von ihnen in der kommunistischen Bewegung, da es Teil der Strategie der Sozialdemokratie war, ihre politische Arbeit in der bisherigen Form einzustellen.

Agnes Primocic war zunächst in der Sozialdemokratischen Partei organisiert und reiste 1935 mit einer Delegation in die Sowjetunion. Nach ihrer Rückkehr berichtete sie von ihren positiven Erlebnissen mit den dortigen politischen Verhältnisse auf einer Parteiversammlung. Mit den Worten: „Das ist die kommunistische Brut! Hinaus mit ihr!“ wurde sie aus der SPÖ ausgeschlossen.

Ein weiteres wichtiges Motiv für den Widerstand war Patriotismus, die Ablehnung der Besetzung durch Deutschland. Diese fand sich auch bei Frauen aus dem konservativen Lager wieder. Dazu kommt bei fast allen Frauen – ob organisiert oder nicht, ob mit politischem Bewusstsein oder nicht – die Ablehnung des Krieges und der absolute Wille, Menschlichkeit im Angesicht des Unmenschlichen zu bewahren. „Ja, Angst, wer hätte die nicht gehabt, wenn er so was tut. Angst habe ich schon gehabt, ich hab ja doch an meine Kinder denken müssen. Aber wie kannst du denn nein sagen, wenn dich jemand bittet, du sollst ihm Leben retten?“

Kriegsgefangenen Brot zustecken, Sabotieren der Kriegsproduktion bis hin zu militärischem Widerstand in Partisanenverbänden – der Widerstand der Frauen fand in zahlreichen Formen statt. Zusätzlich zu allen bestehenden Widerstandstätigkeiten gab es auch Aufgaben, die Frauen aufgrund ihrer Geschlechterrolle besonders gut ausfüllen konnten. Viele Rollenzuschreibungen und Klischees der Frau als angepasstes, gefälliges und leicht beschränktes Wesen wurden im Faschismus weiter propagiert. So wurden Frauen als harmloser eingeschätzt und weniger kontrolliert, was sich für den Informationsfluss unter den Widerstandskämpfern eignete. Auch übernahmen einige Frauen die Aufgabe, Kontakte zu Wehrmachtssoldaten herzustellen, um so etwas über die Stimmung in der Armee zu erfahren und Propaganda zu verbreiten.

Doch auch wenn die Rolle als Frau und Mutter erst mal wie ein kleiner Schutz für die Kämpferinnen wirkte, so konnte diese Waffe vom faschistischen Repressionsapparat auch gegen sie gerichtet werden. Frauen wurden verhaftet und mussten ihre Kleinkinder alleine zurück lassen, ohne für Betreuung sorgen zu können. Kinder, die in Gefangenschaft zur Welt kamen, wurden den Müttern weggenommen. In Verhören wurde mit dem Schicksal der Kinder gedroht.

Neben allen anderen Formen von Folter waren Frauen auch sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Sie wurden ausgezogen, als „Bolschewikenhuren“ beschimpft. Einer Partisanin wurden die Brüste abgeschnitten.

Den wenigsten Widerstandskämpferinnen blieb Gefängnis oder Konzentrationslager erspart.

Viel Kraft zogen die Frauen aus Solidarität und Gemeinschaft sowie aus ihrem Verständnis darüber, was Faschismus bedeutet und dass er zu vernichten ist. Sie wussten stets, dass ihr Schicksal kein Einzelschicksal war, dass sie nicht einfach Pech hatten, sondern dass es Millionen von Menschen betraf: „Wenn wir durch unsere Tätigkeit dazu beitragen können – ganz primitiv gesagt – dass der Krieg nur um eine Stunde abgekürzt wird, dann hat sich unser Widerstand schon gelohnt.“


Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik, Lisbeth N. Trallori (Herausgeberinnen)
Der Himmel ist blau. Kann sein. Frauen im Widerstand. Österreich 1938 – 1945
Promedia Verlag, 304 Seiten, 27 Euro
Erhältlich im UZ-Shop


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"Angst, wer hätte die nicht gehabt?", UZ vom 16. Februar 2024



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