Im Saale-Orla-Kreis müssen Asylbewerber für 80 Cent in der Stunde schuften. Eingeführt hat das ein Landrat, in dem viele einen Hoffnungsträger gegen die AfD sahen

Arbeiten zum Herrgottslohn

Im Saale-Orla-Kreis, einem der größten Flächenkreise Thüringens, leben knapp 80.000 Menschen. Dazu gehören auch rund 300 Asylbewerber, die trotz ihrer überschaubaren Anzahl seit einiger Zeit im Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit stehen. Ende Januar kam es hier zur Stichwahl um den Landratsposten. Als Favorit galt Uwe Thrum von der AfD, der im ersten Wahlgang 45,7 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Wie es sich für den Vertreter einer reaktionären und rassistischen Partei gehört, machte ­Thrum gegen die „Massenmigration ins Sozialsystem“ mobil. In seinem Wahlkampfspot warb er für „Sachleistungen statt Geldleistungen und Arbeitsgelegenheiten für alle, die sich in der sozialen Hängematte ausruhen wollen“.

Die Empörung war groß: So einer darf doch nicht Landrat werden! Zahlreiche Parteien und Initiativen riefen zur Wahl des „demokratischen“ Gegenkandidaten Christian Herrgott (CDU) auf. Die Linkspartei im Saale-Orla-Kreis warb für eine „erfahrene, kompetente und auf die tatsächlichen Probleme ausgerichtete Amtsführung“. Es habe sich gezeigt, dass mit „Christian Herrgott eine Zusammenarbeit unter Demokraten möglich“ sei. „Gemeinsam treten wir rechtem und rechtspopulistischem Denken und Handeln, Rassismus und Intoleranz entschlossen entgegen“, verkündete auch der DGB-Kreisverband in seinem Wahlaufruf für Herrgott.

Entsprechend groß war dann auch die Begeisterung, als der CDU-Mann das Rennen für sich entschied. Landespolitiker von den Grünen, der SPD und der „Linken“ gratulierten. Selbst die Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung freute sich über ein „deutliches Zeichen“. Der „Rechtsruck“ schien aufgehalten. Herrgott wurde Landrat, und er sah, dass es gut war. Zumindest gut genug, um direkt nach der Wahl mit der Umsetzung einer Asylpolitik zu beginnen, die auch den hartgesottensten AfD-Anhängern Freudentränen in die Augen treibt. Bundesweite Bekanntheit erlangte er durch eine seiner ersten Amtshandlungen: die Einführung einer Arbeitspflicht für Asylbewerber.

Für 80 Cent in der Stunde und bis zu vier Stunden am Tag sollen Geflüchtete Aufgaben zum Beispiel in der Grünpflege, im Winterdienst oder auf dem Bauhof übernehmen. Ermöglicht wird diese Form der Ausbeutung in sogenannten „Arbeitsgelegenheiten“ durch Paragraf 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Dort war bis vor Kurzem geregelt, dass nur Arbeiten übertragen werden dürfen, die „zusätzlich“ anfallen, also sonst nicht oder in geringerem Umfang verrichtet würden. Die Bundesregierung ließ diese Einschränkung streichen. Seit Ende Februar können Geflüchtete auch für reguläre kommunale Arbeiten, die sonst von den Angestellten der Städte und Gemeinden verrichtet werden, verpflichtet werden. Wer sich weigert, wird sanktioniert. Bis zu 180 Euro können den Asylbewerbern im Monat gestrichen werden.

Für Landrat Herrgott steht jedoch „nicht die Sanktion im Vordergrund“, wie er kürzlich in einem Interview mit der Fachzeitschrift „Kommunal“ erläuterte. Die meisten Geflüchteten würden sich über die zusätzlichen 64 Euro freuen, die sie im Monat erhalten – wohlgemerkt für eine Halbtagsstelle. Nun wolle man schauen, wie weitere Akteure eingebunden werden können. Zum Beispiel „wenn etwa der Fußballverein seinen Rasen gemäht haben will“. Im gleichen Interview erzählte der Landrat von seinen asylpolitischen Vorstellungen jenseits der Arbeitspflicht. Man brauche „dringend eine Zugangsbegrenzung“, schnellere Abschiebungen, einen „Sachleistungsvorrang“ nicht nur für Asylbewerber in Unterkünften, sondern auch in Wohnungen.

Was unerwähnt blieb: Herrgott will nicht nur Asylbewerber, sondern auch Arbeitslose „gemeinnützig arbeiten“ lassen. Das geht aus den politischen Standpunkten hervor, die er auf seiner Website veröffentlicht hat. Für die Unterstützer, die ihn zum „Anti-Rechts-Kandidaten“ stilisiert hatten, spielten diese Überzeugungen keine Rolle. Stammten sie doch zum großen Teil selbst aus dem rot-grünen Lager, das Herrgotts Politik durch die Änderungen des Asylrechts erst möglich machte.

Problematisch wird reaktionäre Politik erst dann, wenn AfD draufsteht. Im „Tagesspiegel“ sprach Franz Zobel von der Opferberatung Ezra über diesen Widerspruch. Herrgott stoße all diejenigen vor den Kopf, die seine Kandidatur mitgetragen hätten. Nun betreibe er eine Politik, die sich „gegen die Interessen eines großen Teils derjenigen Menschen wende, die für ihn gestimmt hatten“.

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"Arbeiten zum Herrgottslohn", UZ vom 12. April 2024



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