Es lässt sich alles und jedes vermarkten

„Bella Ciao“ als Sommerhit

Von Herbert Becker

Weltweit bekannt wurde das Lied in seiner Adaption durch die Resistenza, die italienischen Widerstandsbewegung gegen den Faschismus während des Zweiten Weltkrieges. Ursprünglich war es ein Lied, das Reisbäuerinnen in der Po-Ebene in den 20er Jahren sangen. Der Text, dessen Autor unbekannt ist, lobt den Freiheitskampf der Partisanen und gedenkt ihrer Toten, die als Helden betrachtet werden. Das Lied gehört seit dem 2. Weltkrieg zu den bekanntesten Kampfliedern und wird noch heute von linken Kräften dem faschistischen Kampflied Faccetta Nera entgegengesetzt. Wie viele Lieder der Arbeiterbewegung wurde es in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Man muss nicht in Nostalgie verfallen und Empörung ist auch nicht der richtige Zugang zu der Entwicklung, die das Lied in diesem Jahr genommen hat. In der Netflix-Serie „Haus des Geldes“ (im Original „La casa del papel“) singen zwei der Gangster, die die spanische Bundesgelddruckerei mit ihrer Gang überfallen, Geiseln nehmen und über 10 Tage lang sich ihre „eigenen“ Euroscheine drucken, das Lied mehrfach. Der Hauptfigur, die sich selbst „El Profesor“ nennt, bringt der Zuschauer einiges an Sympathie entgegen, kein Wunder, dass dann auch sein Gesang Aufmerksamkeit weckt. Danach wurden eine Vielzahl an neuen Coverversionen veröffentlicht, die auch den Sprung in die Single-Charts verschiedener Länder schafften. Auch hier fielen die Stile sehr unterschiedlich aus. Das Original-Sample, das aus der Serie stammt, ist Teil eines Remixes des Marseiller DJs und Produzenten Florent Hugel, der sich in unter anderem Deutschland, Belgien und Frankreich in den Charts platzierte und von GfK Entertainment zum „offiziellen“ Sommerhit 2018 erklärt wurde. In Deutschland konnten zudem eine Deutschrap-Version der drei Rapper Juri, Sun Diego und Scenzah sowie eine Pop-Version von Mike Singer Erfolg verbuchen. Die neben dem Hugel-Remix erfolgreichste Bella-ciao-Variante, die im Zuge des „Haus-des-Geldes“-Hypes erschien, steuerten die französischen Musiker Naestro, Maître Gims, Vitaa, Dadju und Slimane bei. Gemeinsam erreichten sie Platz zwei der französischen Singlecharts und konnten sich auch in den Schweizer und den wallonischen Charts platzieren.

Ob alle die, die diesen „Ohrwurm“ in den letzten Monaten hörten und den eingängien Refrain mitsangen, wissen wollten, woher das Lied kommt, was im Text besungen wird, mag mit Fug und Recht bezweifelt werden. Eigene Erlebnisse bei sogenannten Sommerparties gaben genau diesen Eindruck wieder, es wird geträllert und den meisten reicht dies. Aber man kann, wenn sich die Gelegenheit ergibt, schon ein wenig Aufklärungsarbeit leisten. die dazu führen mag, dass aus dem Trällern ein bewusstes Mitsingen wird.

O partigiano, portami via,

o bella, ciao! bella, ciao! bella, ciao, ciao, ciao!

O partigiano, portami via, ché mi sento di morir.

O Partisan, bring mich fort

O Schöne, tschau, Schöne, tschau, Schöne, tschau, tschau, tschau!

O Partisan, bring mich fort

Denn ich fühle, dass ich bald sterben werde

E se io muoio da partigiano,

o bella, ciao! bella, ciao! bella, ciao, ciao, ciao!

E se io muoio da partigiano,

tu mi devi seppellir.

Und falls ich als Partisan sterbe

O Schöne, tschau, Schöne, tschau, Schöne, tschau, tschau, tschau!

Und falls ich als Partisan sterbe

Dann musst du mich begraben

  • Aktuelle Beiträge
Über den Autor

Herbert Becker (Jahrgang 1949) hat sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht. Seit 2016 schreibt er für die UZ, seit 2017 ist es Redakteur für das Kulturressort.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"„Bella Ciao“ als Sommerhit", UZ vom 17. August 2018



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit