Auf den 122.000 Wahlzetteln zur Oberbürgermeisterwahl am 21. September 2025 in Ludwigshafen wird der Name des AfD-Kandidaten Joachim Paul nicht erscheinen. Auf seine Beschwerde hin entschied am Montagnachmittag das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz endgültig, nachdem der Eilantrag Pauls bereits erstinstanzlich am 18. August zurückgewiesen worden war.
Der 55-jährige Beamte, seit 2016 für die AfD im Landtag, zog vor Gericht, da ihm der Wahlzulassungsausschuss wegen „Zweifeln an seiner Verfassungstreue“ die Zulassung zur Kandidatur verweigert hatte. Zuvor hatte die amtierende Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) als Ausschussvorsitzende beim Landesverfassungsschutz um Hilfe nachgesucht und um verwertbares Material gegen den missliebigen Konkurrenten gebeten. Das elfseitige Konvolut ging am 29. Juli bei der Stadtverwaltung ein. Ein „Gutachten“ wie man es von den Schlapphüten nicht anders kennt: ein Sammelsurium von der Art, wer hat wen wann getroffen. Neben Kontaktschulddaten erfährt man auch, dass der verhinderte Kandidat „ein Video-Seminar über das Nibelungen-Lied“ veranstaltet und bei der „Hannoverschen Burschenschaft Ghibellinia“ ein Bier getrunken hat.
Für den Wahlausschuss reichte das, um sich ein Urteil zu bilden. Warum ist diese Provinzposse dennoch der Rede wert? Weil sie die Mechanismen des Staatsapparats – auch schon auf der kommunalen Ebene – offenlegt, nach denen betreutes Wählen zukünftig stattfinden soll. Pure Schadensfreude über das Kandidatenschicksal Pauls wäre die falsche Reaktion.
Um gleich mit einem Irrtum aufzuräumen: Im Fall „Paul“ haben die beteiligten Verwaltungsgerichte, entgegen der Lesart der Journaille, nicht etwa über die Verfassungsfeindlichkeit des Kandidaten oder der AfD geurteilt. Darum ging es vor Gericht nicht. Verworfen wurde der Antrag wegen Unzulässigkeit, weil Entscheidungen im Vorfeld der Wahl gerichtlich nur mit gesetzlich zugelassenen Rechtsmitteln angegriffen werden dürfen. Und die gibt’s erst, wenn die Wahl gelaufen ist (Wahlanfechtung), vorher nicht.
Wer inhaltliche Auseinandersetzung scheut, nimmt den einfachen, weil kurzen Weg über die Formalie. Das eigentlich Bedrohliche, das durch die Causa „Paul“ ausgelöst wurde, ist die inzwischen losgetretene Debatte unter staatsaffinen Juristen, ob es denn nicht an der Zeit wäre, schon die bloße Mitgliedschaft in einer Partei, die der Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich einordnet, ausreichen zu lassen, um die Wählbarkeit zu versagen. Das liegt ganz auf Linie des Verwaltungsgerichts Darmstadt, das sich in einem Beschluss vom Mai 2024 mit der waffenrechtlichen Regelzuverlässigkeit eines DKP-Stadtrats auseinandersetzt. Die Richter kommen zu dem Schluss, dass ihn nur sein ehrenamtliches Engagement von dem „Makel“ befreit habe, einer Partei anzugehören, die angeblich „elementare Grundsätze der Verfassung fortlaufend mit dem Ziel einer Überwindung der grundgesetzlichen Ordnung untergräbt“.
Antidemokratische Witterung haben auch die aufgenommen, die in der Fachliteratur lauthals nach einer bundesweit einheitlichen Verfassungstreueklausel für Wahlbewerber rufen, nicht nur für Bürgermeister-Aspiranten, auch für Stadträte und Fraktionsmitarbeiter. Musterbeispiele finden sich in Paragraf 66, Absatz 2 der NRW-Gemeindeordnung, Paragraf 24, Absatz 2 des Thüringer Kommunalwahlgesetzes oder Paragraf 53 der Rheinland-Pfälzer Gemeindeordnung.
Und was auf der Kommunalebene geht, funktioniert auch bei Landtags- und Bundestagswahlen. Gepaart mit der oben erwähnten und durch das Bundesverfassungsgericht seit 1986 mehrfach abgesegneten Rechtslage, dass vor der Wahl Gerichte die Vorgänge nicht prüfen, öffnen sich ganz neue Möglichkeiten für die Exekutive. Was und wer in den Stadtrat oder das Parlament passt, sucht der Wahlausschuss aus, in dem gerade die Parteien sitzen, die auch in Zukunft gerne unter sich bleiben. Das Ganze zielt auf den Wesenskern der ach so freiheitlich-demokratischen Grundordnung und beseitigt das Parteienprivileg. Parteiverbot durch die Hintertür: Wer nicht gewählt werden kann, nimmt nicht am „demokratischen Willensbildungsprozess“ teil; eine Partei, die nicht an Wahlen teilnimmt, verliert ihre Existenzberechtigung.