Zur Abschaffung des Bürgergelds und der Mär von Totalverweigerern

Bullshit-Bas II

Noch Ende August hatte sie vor den Jusos getönt, die Debatten, dass „wir uns den Sozialstaat nicht mehr leisten könnten“, seien „Bullshit“. Das zielte auf den Kanzler und die SPD-Ministerin für Arbeit und Soziales, Bärbel Bas, ist dafür von rechts ordentlich gerügt worden. Wie es sich für eine sesselbewusste Politikerin gehört, gibt sie nun klein bei. Der Abschaffung des Bürgergeldes, vom Koalitionsausschuss in einer Nachtsitzung beschlossen, stimmte sie nicht nur zu. Sie durfte sie am 9. Oktober vor versammelter Presse auch mit markigen Worten verkünden: „Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben. … Arbeitsverweigerer erhalten künftig keine Leistungen mehr. … Wir verschärfen die Sanktionen bis an die Grenze dessen, was verfassungsrechtlich zulässig ist.“

Wer einen Termin beim Jobcenter „schwänzt“, so die oberlehrerhafte Formulierung, die sich medial eingebürgert hat, bekommt sofort einen zweiten. Wer den nicht wahrnimmt, muss eine Kürzung von 30 Prozent hinnehmen – Kinder werden in Mithaftung genommen. Dann gibt es ruckzuck den dritten Termin. Wer den versäumt, bekommt keinen Cent Grundsicherung mehr.

Damit ist alles in die Tonne getreten, was ihr längst vergessener Vorgänger Hubertus Heil bei der Einführung des Bürgergeldes, durch das das SPD-Trauma Hartz IV geheilt werden sollte, noch stolz als soziales Jahrhundertwerk verkündete. Bas schlägt zudem die Erkenntnisse von Expertinnen und Experten aus dem eigenen Ministerium in den Wind. Das bei der Agentur für Arbeit angesiedelte „Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung“ hatte am 25. September eine 36-seitige Studie zu den „Totalverweigerern“ veröffentlicht, die jetzt für das Anziehen der Sanktionsschrauben durch alle Medien getrieben werden. Kernaussage der Studie mit dem Titel „Viel Lärm um nichts?“: Davon gibt es so wenige, dass sie von den Ämtern „wegen extrem geringer Fallzahlen“ statistisch nicht erfasst werden. Erfassbar ist allerdings, dass praktisch alle Empfänger des Bürgergeldes sich redlich bemühen, wieder Arbeit zu finden – aber in der jetzigen Krise immer seltener damit Erfolg haben.

Warum spricht Frau Bas dann solchen Bullshit in die Mikrofone?

Wie sie selbst in der Pressekonferenz zugab, ist der Einspareffekt dieser Brutalisierungspolitik gering. Bas zielt nicht auf die künftigen Grundsicherungsempfänger. Sie zielt auf alle Beschäftigten. Wie bei der Einführung von Hartz IV wird der Knüppel gegen die herbeiphantasierten „Totalverweigerer“ geschwungen, um die ganze Arbeiterklasse zu disziplinieren und ihnen deutlich zu machen: Wenn du im Job aufmuckst und ihn verlierst, dann landest du schnell bei der Grundsicherung, und wenn du dann nicht jeden Drecksjob weit weg von deiner Wohnung nimmst, kriegst du von uns keinen Cent mehr und kannst sehen, wo du bleibst. Das ist die wirkliche Sprache von Bullshit-Bas.

Es liegt auf der Hand, dass solche Drohungen in wirtschaftlichen Aufschwungphasen, in denen die Unternehmen Arbeitskräfte suchen, schnell verpuffen, aber in Abschwungphasen bei vielen den gewollten Effekt der Disziplinierung erzielen. Das verstärkt sich dadurch, dass die verlogene Drohung mit dem Sanktionshammer auf einen sinkenden Organisationsgrad der hiesigen Arbeiterklasse, also vielfach auf isolierte Angestellte und Arbeiter trifft, die ihre Arbeitskraft immer häufiger auch noch in tariflosen Bereichen verkaufen müssen.

Da hilft nur eins: Organisieren, dagegenhalten, nicht klein beigeben, Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen machen, Widerstand lernen und leben.

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"Bullshit-Bas II", UZ vom 17. Oktober 2025



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