Zu „Kurzer Blick auf China“, UZ vom 25. September 2020

Chinesische Erfahrungen auswerten

Rolf Jüngermann, Gelsenkirchen

In der VR China ist seit den Reformen von Deng Xiaoping das wohl größte Wirtschaftswunder aller Zeiten im Gange. Aus einer völlig verstaatlichten und verplanten – um nicht zu sagen versteinerten – Volkswirtschaft ist in kürzester Zeit die zweitgrößte der Erde geworden und der Supermacht USA ist ein gefürchteter strategischer Konkurrent entstanden. In der neuartigen Kombination von Planwirtschaft und Marktwirtschaft sehen manche kommunistische Beobachter ähnlich wie damals in dem Übergang zur NÖP unter Lenin eine Rückkehr zum Kapitalismus. Hier ist nicht die Stelle, demgegenüber auf die enormen Errungenschaften zugunsten des chinesischen Volkes, gerade auch seiner bisher am meisten benachteiligten Teile, und auf die enormen Anstrengungen der Selbstbehauptung gegenüber dem menschenfeindlichen westlichen Imperium einzugehen. Diese Erfolge werden übrigens von bürgerlichen Beobachtern (siehe zum Beispiel Theo Sommer 2019) oft schärfer gesehen und empfunden als von uns Kommunisten.

Für die revolutionären Kräfte in den hochentwickelten Ländern wäre es ratsam, die chinesischen Erfahrungen systematisch auszuwerten und für die eigene, seit längerem ins Leere laufende Strategie fruchtbar zu machen. Denn bevor wir keinen Strategieentwurf haben, der auf realistischen und glaubwürdigen Vorstellungen über eine international konkurrenzfähige Ökonomie beruht, solange wir den Eindruck erwecken, als könnten wir vom Gestern immer noch nicht wirklich loslassen, so lange werden wir für die meisten Menschen – gerade auch für die Arbeiterklasse – zu Recht keine ernst zu nehmende politische Alternative darstellen.

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"Chinesische Erfahrungen auswerten", UZ vom 2. Oktober 2020



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