Gaza: Wieder Verhandlungen über Waffenstillstand – Israels Regierung will Palästinenser in Lager einsperren

Das eigentliche Ziel

„Freiwillige Ausreise“ – so bezeichnen Mitglieder der israelischen Regierung die Vertreibung von Palästinensern aus Gaza, die durch israelische Bomben, Hunger, Not und die Kugeln von US-Söldnern erzwungen wird. Allein an den sogenannten Versorgungspunkten haben sie bereits 800 Menschen getötet.

Nur ein Begriff ist noch zynischer und irreführender. Die israelische Regierung will die Einwohner des Gazastreifens in einer „Humanitären Stadt“ im Süden des Gebiets konzentrieren. Einmal angekommen, dürfen sie diese „Humanitäre Stadt“ nicht wieder verlassen. Die renommierte britische Juristin Baroness Helena Kennedy hat dafür nur einen Ausdruck: „Konzen­trationslager“.

Die Vertreibung der Palästinenser wurde schon vor Beginn des Gaza-Krieges angedroht: Minister Israel Katz – kein Extremist, sondern Teil der „Mitte der Gesellschaft“ – bedrohte Anfang 2022 Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft mit einer erneuten „Nakba“, einer erneuten Vertreibung, sollten sie ihre Proteste nicht mäßigen.

Konkreter wurde das Ziel der Vertreibung, als der ehemalige Chef des Nationalen Sicherheitsrates, General Giora Eiland, und eine Gruppe pensionierter Generäle im Oktober 2024 der Knesset ihren Plan vorlegten: Durch eine totale Blockade sollten die Menschen aus dem Norden des Gazastreifens in den Süden verdrängt werden. Wer zurückblieb, sollte als Kämpfer gelten. Die Regierung begann, Teile des Plans umzusetzen, obwohl er nicht offiziell übernommen wurde.

Während des Waffenstillstands Anfang des Jahres konnten Einwohner wieder in den Norden von Gaza zurückkehren. Bei den aktuellen Verhandlungen um einen Waffenstillstand will Israel das jedoch ausschließen. Geplant ist, mit einer umfassenden Präsenz israelischer Truppen in weiten Teilen des Gazastreifens das Gebiet in kleine Parzellen aufzuteilen und den Raum, in dem Palästinenser leben können, immer mehr einzuschränken. Ihre Versorgung soll weiterhin in den Händen der israelischen Armee und ihrer US-amerikanischen Helfer liegen.

In den mehr als acht indirekten Verhandlungsrunden in Doha konnte daher bisher keine Einigung erzielt werden. Die Vertreter der USA konzentrierten sich in den Verhandlungen zunächst auf die Namen von Gefangenen, die ausgetauscht werden sollen. Für die Hamas stehen jedoch die Begrenzung der Stationierung israelischer Truppen und die Versorgung der Bevölkerung im Vordergrund. Die US-israelische Organisation „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF) soll das Gebiet verlassen und die Versorgung soll wieder durch internationale Hilfsorganisationen sichergestellt werden.

Die israelische Armee tötet immer noch jeden Tag bis zu 100 oder mehr Palästinenser, aber auch für sie ist die Lage schwierig. Durch die Angriffe nach dem israelischen Bruch der Waffenruhe im März wurde die Hamas schwer getroffen. Inzwischen hat sie sich offensichtlich reorganisiert. Tote oder schwer verletzte israelische Soldaten sind nahezu an der Tagesordnung.

Selbst die EU hat sich mittlerweile kritisch zum israelischen Vorgehen in Gaza geäußert. Und sie hätte – wie es wiederholt in den Medien heißt – „theoretisch“ die Möglichkeit, Druck auf Israel auszuüben. Die „Humanitäre Stadt“, deren Kosten zu hoch und deren Bauzeit zu lange ist, dient wohl der Verschleierung des eigentlichen Ziels, zu dem sich die Regierung noch nicht ganz offen bekennen kann: der Vertreibung der Palästinenser.

Politiker und Demonstranten in Israel werfen der Regierung vor, einen Krieg ohne Ziel zu führen. Eine aktuelle Umfrage ergab, dass eine große Mehrheit der Befragten einen Austausch von Geiseln und einen dauerhaften Waffenstillstand befürwortet.

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"Das eigentliche Ziel", UZ vom 18. Juli 2025



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