Strafanzeige gegen Frank-Walter Steinmeier nach Aussagen zu Streumunition

Das nächste Kriegsverbrechen

Der Ukraine geht die Artilleriemunition aus. Die Waffenlieferungen der NATO-Staaten an Kiew haben auch die Waffenarsenale des Westens weitgehend geleert. „We’ve run out of ammunition“ (Uns ist die Munition ausgegangen), beklagte US-Präsident Joe Biden vor zwei Wochen. Also liefert das US-Militär auf die seit Langem flehentlich vorgetragenen Bitten der ukrainischen Machthaber Waffenmaterial, das wegen der internationalen Ächtung von Antipersonenminen und Streubomben ohnehin auf dem Waffenmarkt nur schwer abgesetzt werden kann. Ein militärischer Ladenhüter, der in vielen Kriegen von Indochina bis Syrien für den tausendfachen Tod vor allem in der Zivilbevölkerung gesorgt hat.

„Sie sehen eher aus wie Spielzeug als wie Waffen des Todes und des Verstümmelns“, schrieb der Pulitzer-Preisträger Lewis M. Simons Anfang letzter Woche auf der Nachrichtenplattform NPR. Noch heute sterben in Laos Kinder, die auf Feldern die Überbleibsel der von der US-Luftwaffe zwischen 1964 und 1973 abgeworfenen Bombenlast (2,09 Millionen Tonnen) finden. In den letzten 50 Jahren konnten nur circa 1 bis 2 Prozent der nicht explodierten Clustermunition („Bomblets“ von der Größe eines Tennisballs) entschärft werden. Die Hälfte der in diesem Zeitraum getöteten Laoten waren Kinder. Jene, die die Explosionen überlebten, verloren Arme, Beine oder das Augenlicht.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), ausgestattet mit dem Ruf einer „moralischen Instanz“ und somit in Sonntagsreden Deutschlands geübtester Träger ethischer Bedenken, möchte den USA bei der Lieferung „nicht in den Arm fallen“. Die gleiche transatlantisch motivierte Passivität hat auch die übrigen Repräsentanten der Bundesregierung erfasst. Füße stillhalten und wegschauen wird als Parole in den Medien gestreut. Blinde Bündnistreue gegen Menschenleben.

Was moralisch erbärmlich ist, ist regelmäßig auch strafrechtlich von Bedeutung. Deswegen hat der Bonner Mathematiker Wolf Göhring Steinmeier angezeigt. Man muss kein Jurist wie Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sein, um aus dem eindeutigen Wortlaut des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KwKG) die richtigen Schlüsse zu ziehen. Steinmeier hatte, wie übrigens auch der heutige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (damals in seiner Funktion als Vertreter Norwegens), das seit dem 1. August 2010 in Kraft getretene „Oslo-Übereinkommen“ gegen Streumunition unterschrieben. Dem Ächtungsvertrag sind bis heute 111 Länder beigetreten.

In Deutschland wurde daraufhin das Strafgesetz geändert. Im neu gefassten Verbrechenstatbestand des Paragraf 20a KwKG wurden ab 11. Juni 2009 nicht nur Produktion und Besitz der geächteten Streumunition unter hohe Strafen gestellt, sondern auch Einsatz, Entwicklung, Handeltreiben, Erwerb, Weitergabe, Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr sowie die Förderung all dieser Varianten. Als Abendlektüre sei dem Bundespräsidenten Paragraf 13 Strafgesetzbuch empfohlen, wonach dem Tun das Unterlassen gleichsteht. Und vielleicht erinnert er sich dann, was er in Oslo unterschrieben hat: Laut Artikel 21 des Abkommens besteht für jeden Signatarstaat die Pflicht, „sich nach besten Kräften (zu bemühen) Staaten, die nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, vom Einsatz von Streumunition abzubringen“.

Schlechte Karten also für Steinmeier. Auch die Brücke zur Rechtfertigung seiner Passivität hat sich Steinmeier vor 13 Jahren selbst verbaut: In Artikel 1 des Oslo-Übereinkommens ist festgeschrieben, dass „unter keinen Umständen“ das Verbot der Streumunition umgangen werden kann. Ob also die Clustergranate 100 Bomblets oder nur 2 enthält, ob die Blindgängerrate gering oder höher ist, ob Streumunition vom Gegner zuvor eingesetzt wurde oder ob der Einsatz zur Verteidigung oder zum Angriff erfolgt, beseitigt die Pflicht, „in den Arm zu fallen“, nicht. Erst recht, wenn der Lieferweg über Bremerhaven oder Ramstein geht und in der Ukraine die Streugranaten mit in Deutschland hergestellten 155-mm-Geschützrohren verschossen werden.

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"Das nächste Kriegsverbrechen", UZ vom 21. Juli 2023



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