Ukrainischer Präsident lehnt Friedensvermittlung des Papstes ab und verlangt Kampfjets

Selenski auf Waffentour

Direkt zu Beginn wurde es pathetisch, als EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen bei der Verleihung des Karlspreises an den ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski sprach: „Sie kämpfen buchstäblich für Freiheit, Menschlichkeit und Frieden“, sagte sie am Sonntag in Aachen. Selsenski und sein Volk, so von der Leyen, sicherten mit „ihrem Blut und ihrem Leben die Zukunft ihrer und auch unserer Kinder“. Mit wem angesichts von faschistischen Bataillonen in der ukrainischen Armee die Zukunft des Westens verteidigt werden soll, ist klar. Dafür gab es nicht nur den Applaus des Publikums in Aachen.

Am Montag kehrte der ukrainische Präsident Wladimir Selenski nach einer dreitägigen Reise durch vier europäische NATO-Staaten nach Kiew zurück. In einem Video zog er Bilanz: „Italien, Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich … Wir kehren mit neuen Militärpaketen nach Hause zurück: mehr Munition, stärkere Waffen für die Front, mehr Schutz für unsere Leute, mehr politische Unterstützung.“ Die Bereitschaft, der Kiewer „Formel“ für einen Frieden zu folgen, sei größer geworden, es gebe mehr Unterstützung für einen EU-Beitritt der Ukraine und „mehr Verständnis für einen NATO-Beitritt, er wird kommen, er ist unvermeidlich“.

Selenski dankte besonders der Bundesrepublik für ein neues Waffenpaket über 2,7 Milliarden Euro und erklärte: „Außerdem unterstützt Deutschland unser Land langfristig: Es gibt dafür elf Milliarden Euro, rein für die Verteidigung.“ Einem Bericht des „Spiegel“ zufolge plant die Bundesregierung bereits die Aufrüstung Kiews bis zum Jahr 2032. In Berlin hatte Selenski am Sonntag deutlich gemacht, dass ihm das nicht reicht. Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach er davon, seine Regierung arbeite in EU-Hauptstädten daran, „eine Kampfjet-Koalition zu schaffen“. Scholz wich der Forderung nach westlichen Kampfflugzeugen aus, aber in Paris und London hatte Selenski Teilerfolge. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron stellte am Montagabend im Sender „TF1“ die Ausbildung ukrainischer Piloten dafür in Aussicht, die „ab jetzt“ losgehen könne. Mehrere EU-Länder seien zu dem Schluss gekommen, dass es nun notwendig sei, mit der Schulung zu beginnen. Auf die Frage, ob Frankreich auch Kampfjets liefern werde, antwortete er: „Nein, ich habe nicht von Flugzeugen gesprochen.“
Wie in der Vergangenheit preschte aber Britannien bei der Aufrüstung Kiews vor. Premierminister Rishi Sunak sagte Selenski nicht nur Flugabwehrraketen zu, sondern auch hunderte Kampfdrohnen mit einer Reichweite von mehr als 200 Kilometern. Erst vor Kurzem wurde bekannt, dass London luftgestützte Marschflugkörper vom Typ „Storm Shadow“ liefert. Bereits am vergangenen Samstag hat die Lugansker Volksrepublik den Beschuss der Siedlung Jubilejny unter Einsatz einer „Storm Shadow“ festgestellt.

In Rom nutzte Selenski nicht nur die Chance, sich von der Ministerpräsidentin und Anführerin der faschistischen „Fratelli di Italia“, Giorgia Meloni, „meinen Freund“ nennen zu lassen, sondern beleidigte gleich noch den Papst: Nach einer Unterredung im Vatikan tönte Selenski im italienischen Sender „RAI 1“: „Er kennt meine Position – der Krieg ist in der Ukraine und der Plan muss ukrainisch sein.“ Eine Vermittlung sei nicht möglich. Der Papst reagierte indirekt am Sonntag vor Gläubigen auf dem Petersplatz: „Mit Waffen erreicht man nie Sicherheit und Stabilität, im Gegenteil: Man zerstört jede Hoffnung auf Frieden.“

Auf Diplomatie statt Waffenlieferungen setzt auch die Volksrepublik China: Pekings Sondergesandter Li Hui wurde am Dienstag zu einem zweitägigen Besuch in Kiew erwartet. Ziel sei, „mit allen Parteien über eine politische Lösung“ zu sprechen. Li sollte auch nach Russland, Deutschland, Polen und Frankreich reisen.

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"Selenski auf Waffentour", UZ vom 19. Mai 2023



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