Deutsche Medien sind kriegsbereit

Echte Feinde

Kolumne

„BR24“, das Nachrichtenformat des Bayerischen Rundfunks, vermeldet um 12.30 Uhr den Besuch des deutschen „Verteidigungs“ministers Boris Pistorius in Island. Das Land im hohen Norden mit seinen modernen Häfen wird als guter Kooperationspartner zur Sicherung des „Nordmeers“ und der Arktis gegen „den Russen“ gesehen. Pistorius sagt bei dieser Gelegenheit, Deutschland habe als „stärkster europäischer NATO-Partner“ auch eine maritime Verantwortung. Das klingt alles wie zu Kaisers Zeiten: Betont wird, dass der Nordatlantik ein originäres Einsatzgebiet der deutschen Marine sei.
Nächste Nachrichtenmeldung auf „BR24“: Der Börsengang von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS). Endlich zahlt sich auch am Aktienmarkt aus, dass der Konzern klassisch maritime Kriegsproduktion betreibt. Der Bayerische Rundfunk ist sich nicht zu schade, über die Tradition der maritimen Kriegsproduktion im deutschen Norden zu berichten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht.

Deutschland, Marine, Weltkrieg – war da was? Wenn sich Geschichte schon phrasenhaft und als Farce wiederholen muss, wo bleiben dann die revolutionären Matrosen (oder gerne auch, ganz 21. Jahrhundert, die „revolutionären Matros*innen“)? An ihrer statt erhalten wir das „Life-Magazin“ auf RTL. Es begleitet drei junge Frauen ins „Bundeswehr-Boot-Camp“. Während die Boomer-Eltern der porträtierten 19-Jährigen noch am kleinbürgerlich-intellektuellen Küchentisch die Friedensdividende verfrühstücken, machen sich die Töchterleins auf, das Vaterland zu verteidigen. Boot-Camp-Girl Leonie wird vom RTL-Reporter bei der Ziel- und Schießübung gefragt, ob sie Probleme damit hätte, jetzt auch auf „echte Menschen“ zu schießen. Ihre Antwort: „Nee, warum denn? Ist doch mein Feind.“ So sieht deutsche Kriegsvorbereitung im Jahr 2025 aus.

Und wer sich davon nicht nachhaltig begeistern lässt, wird eben per Losverfahren ins Heer (oder die Marine) eingezogen. Der deutsche Imperialismus will ganze Jahrgänge auf diesem Weg kriegsverpflichten. Es kann als Lichtblick verbucht werden, dass sich vor diesem Hintergrund immer mehr (junge) Menschen und Organisationen, inklusive der DGB-Jugend und der IG-Metall-Jugend, einer Wehrpflicht entgegenstellen.

1209 Kolumne Tatjana - Echte Feinde - Deutsche Marine, deutscher Imperialismus, Kriegsmedien, Palästina, Polizeigewalt - Positionen
Tatjana Sambale

Fassungslos staune ich auch über die Berichterstattung über den sogenannten Waffenstillstand in Gaza. Während die Faschisten in der israelischen Regierung bereits alle Register ziehen, um den Völkermord gegen die Palästinenser – allen Vereinbarungen zum Trotz – weiter praktizieren zu können, wird hierzulande zuallererst und beinahe ausschließlich mit Sonderberichten, Ausstellungen und Schweigeminuten israelischen Opfern des Krieges in Palästina gedacht. Warum eigentlich?

Diese Art des Gedenkens und Trauerns ist nur schwer zu ertragen. Wo bleibt der Raum für palästinensische Trauer? Wo bleiben die Fotos, Videos und Erinnerungsstücke der durch die Barbarei der IDF zu Tode gekommenen Frauen, Kinder und Journalisten?

Statt eines ARD-„Brennpunkts“ zu palästinensischen Opfern gibt es hierzulande brutale Polizeigewalt gegen propalästinensische Kundgebungen. Statt Anteilnahme und Anerkennung gibt es offenen Rassismus, der das Leben und Leid der Palästinenser als zweitrangig betrachtet.

Der Kommentar, den Bundeskanzler Friedrich Merz im ARD-„Hauptstadtstudio“ zum Waffenstillstand äußerte, klang so: „Es gibt nun keinen Grund mehr, für Palästinenser in Deutschland zu demonstrieren.“ Und weil wir ja in einem Rechtsstaat leben und es klares Merkmal des selbigen ist, dass ein Rassist wie Merz, der deutsche Stadtbilder durch („illegale“) Migranten verschandelt sieht, qua Person und Gusto bestimmen darf, wofür protestiert wird und wofür nicht, müssen wir wohl damit rechnen, dass Repression und Gewalt gegen jene zunehmen werden, die ihre Stimme weiterhin im öffentlichen Protest für die Befreiung Palästinas erheben.

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"Echte Feinde", UZ vom 24. Oktober 2025



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