Nach 100 Tagen im Amt steht die neue irische Regierungskoalition aus Fianna Fáil, Fine Gael und den regierungstreuen Unabhängigen wegen ihrer fortwährenden Untätigkeit angesichts des Völkermords in Gaza vor einer vernichtenden Bilanz. Während Israel seinen brutalen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung fortsetzt, schweigt Irland oder schaut aktiv weg. 52.000 Tote, 90 Prozent der Bevölkerung Gazas vertrieben, Kinder sterben an einer absichtlich herbeigeführten Hungersnot. Die Liste der Vorwürfe liest sich wie eine Anklageschrift: Gleichgültigkeit gegenüber Völkerrecht, Unterstützung einer erzwungenen Hungersnot durch fehlende Sanktionen gegen Israel und durch die Zulassung von Waffenlieferungen über den Flughafen Shannon. Hinzu kommen die Unterdrückung von Solidaritätsprotesten mit Palästina durch die Übernahme der umstrittenen IHRA-Antisemitismusdefinition und das gebrochene Versprechen, das sogenannte Occupied Territories Bill (Gesetz zu den besetzten Gebiete) umzusetzen.
Die Prioritäten der Regierung äußern sich in ihren Taten. Während Gaza brennt, findet Taoiseach Micheál Martin Zeit, die Band „Kneecap“ für ihre klaren Worte zum Völkermord zu kritisieren – aber nicht Israel für dessen Durchführung. Unterdessen greift die Polizei Demonstrierende gewaltsam an, die gegen Israels „Genocide-Bonds“ vor der Zentralbank protestieren. Eine Regierung, die Israels Interessen schützt, während Gazas Bevölkerung verhungert. Eine Regierung, die sich 100 Tage lang täglich auf die falsche Seite der Geschichte gestellt hat.
Der Kontrast könnte nicht größer sein: Während einfache Iren in Solidarität mit Gaza demonstrieren, boykottieren und protestieren, bieten ihre angeblichen Vertreter in der Regierung nichts als leere Worte und aktive Mittäterschaft. Der Volkszorn wächst – und mit ihm der Ruf nach Gerechtigkeit. In Galway wird am Samstag, dem 100. Tag dieser Koalitionsregierung, ein „People’s Court“ abgehalten – ein symbolischer öffentlicher Prozess gegen jene, die schweigen, wo Handeln gefordert ist. Die Anklage lautet: Komplizenschaft beim Völkermord, Missachtung des Genozid-Abkommens, aktive Unterstützung einer Zwangshungersnot, Unterdrückung der Meinungsfreiheit und gebrochene Wahlversprechen: Kein Stopp von Waffenexporten, keine Kontrollen von US-Militärflügen über Shannon, keine Konsequenzen für irische Firmen, die Rüstungsgüter liefern. Die Bevölkerung ist aufgerufen, sich zu beteiligen: „Ihr seid die Jury. Ihr könnt das Urteil sprechen. Nutzt eure Stimme!“ – so die Organisatoren. Die Geduld ist am Ende.

Zugleich wächst der Widerstand auch an einem zentralen Ort irischer Mitschuld – dem Flughafen Shannon. Immer häufiger werden dort wieder US-Kriegsflugzeuge gesichtet, deren Ladung mutmaßlich an den Massakern in Gaza beteiligt ist. Am 1. Mai durchbrachen Aktivisten den Sicherheitszaun des Flughafens, um ein gesetzlich verankertes, aber ignoriertes Inspektionsrecht wahrzunehmen. Sie protestieren gegen die bewusste Rechtsmissachtung durch die Regierung, die trotz Verbots Flüge mit Kriegsmaterial über irisches Gebiet zulässt.
Zugleich unternimmt die Regierung Anstrengungen, die eigens zur Wahrung irischer Neutralität eingeführte Dreifachsicherung abzuschaffen. Die Dreifachsicherung wurde 2002 auf Druck der Bevölkerung nach dem Nein zum Nizza-Vertrag eingeführt und erfordert bei jedem Einsatz irischer Streitkräfte über zwölf Personen die Genehmigung von UN, Kabinett und Parlament. Auch 2008, nach der Ablehnung des Lissabon-Vertrags, war sie zentraler Teil des Kompromisses für ein zweites Referendum. Nun will die Regierung trotz dieser Zusagen – entgegen dem Volkswillen und früheren Versprechen – diese Sicherung abschaffen und somit Tür und Tor für Teilnahme an EU- und NATO-Militäreinsätzen ohne UN-Mandate öffnen.
Irlands Regierung hat in diesen 100 Tagen bereits gezeigt, dass sich an ihrem Kurs der letzten Jahrzehnte nichts ändern wird und auf wessen Seite sie unverändert steht.