WissZeitVG: GEW fordert Dauerstellen für Daueraufgaben

„Entwurf stoppen“

Die GEW hat den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) scharf kritisiert. Das WissZeitVG ist die rechtliche Grundlage für Kurz- und Kettenbefristungen in der Wissenschaft – auch ohne Angabe von Sachgründen. Im März hatte das BMBF bereits vorgelegte Eckpunkte für eine Reform des Gesetzes zurückgerufen. Damit seien „Hoffnungen auf eine stärkere Berücksichtigung der Interessen der Beschäftigten“ an Hochschulen und Forschungseinrichtungen geweckt worden. „Diese Hoffnungen wurden bitter enttäuscht: Der Referentenentwurf folgt weitgehend den in der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zusammengeschlossenen Wissenschaftsarbeitgebern. Die Ampel-Koalition muss den Entwurf stoppen“, heißt es von der GEW.

Der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller kritisierte, die Verkürzung der Höchstbefristungsdauer von sechs auf vier Jahre greife zu kurz, „um die Arbeitgeber zu einer Veränderung ihrer Befristungspolitik zu zwingen“. Der Druck auf die befristet Beschäftigten würde sogar weiter zunehmen, weil man in Zukunft versuchen werde, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler statt in sechs schon in vier Jahren durch die „Postdoc-Phase“ – also die Phase nach Erlangung des Doktorgrades – zu schleusen. Die Anschlusszusage, die die GEW anmahnt, komme vier Jahre nach der Promotion zu spät – „viele Postdocs werden dann auf die Straße gesetzt oder auf weiteren Zeitverträgen in Drittmittelprojekten eingesetzt“, so Keller. Er machte sich nachdrücklich für den Vorschlag aus dem Dresdner Gesetzentwurf der GEW stark, eine Anschlusszusage direkt nach der Promotion vorzusehen. Diese bedeute, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis entfristet wird, wenn vereinbarte Ziele in Forschung und Lehre erreicht werden.

Auch die weiteren im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen würden keine substanziellen Verbesserungen gegenüber den Eckpunkten vom März enthalten. Insbesondere halte das BMBF im Wesentlichen an der Tarifsperre fest. Diese verbietet Gewerkschaften und Arbeitgebern, vom Gesetz abweichende Befristungsregelungen auszuhandeln.

Mit dem WissZeitVG gilt an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ein weitreichendes Sonderarbeitsrecht, das die Befristungspraxis immer weiter verschärft hat. Eine vom BMBF in Auftrag gegebene Evaluation der WissZeitVG-Novelle von 2016 hatte im letzten Jahr gezeigt, dass 84 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Universitäten, 78 Prozent an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, befristet beschäftigt sind. Die durchschnittliche Laufzeit der Arbeitsverträge liegt bei 18 Monaten. An den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sieht es ähnlich aus.

Befristung ist in der Wissenschaft also die Regel, Dauerstellen dagegen zur Ausnahme geworden. Die GEW kritisiert grundsätzlich, dass das WissZeitVG seinen arbeitsrechtlichen Schutzzweck für die Beschäftigten nicht erfülle. Es sei im Gegenteil die Grundlage für grundlose Befristungen und systematischen Befristungsmissbrauch. Das Gesetz schaffe keinen geschützten Rahmen für die wissenschaftlichen Qualifizierung, sondern füge der Wissenschaft selbst sowie den Beschäftigten Schaden zu und verstärke bestehende Diskriminierungsstrukturen.

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"„Entwurf stoppen“", UZ vom 16. Juni 2023



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