Zum Niedergang der Kommunen

Frieden bestellen

Viele Worte machte der Bundesinnenminister auf der Kommunaltagung „Zusammen zukunftsfest“ am Montag in Mannheim. So wegweisend das Motto des Kongresses, so schwülstig die Ausführungen von Alexander Dobrindt (CSU): Er sprach von „Respekt“, von der „kommunalen Familie“ und von den Gemeinden als „Aushängeschildern“ des Staates.

Was Dobrindt nicht sagte: Ohne einen grundsätzlichen Politikwechsel, werden diese „Aushängeschilder“ bald nur noch Mahnmale sein. Trotz zahlreicher Kürzungsmaßnahmen fehlen den kommunalen Haushalten in diesem Jahr mindestens 25 Milliarden Euro zur „Schwarzen Null“. Dieses in der bundesrepublikanischen Geschichte erstmals erreichte „Rekorddefizit“ soll in den kommenden Jahren auf deutlich über 30 Milliarden Euro steigen. Selbst diese Annahme ist jedoch noch optimistisch, weil sie sich auf stabile Gewerbesteuereinnahmen verlässt. Kommt der flächendeckende Einbruch, wird aus dem Niedergang ein schneller Abriss.

Was das bedeutet, lässt sich derzeit mit Blick auf die Standortkommunen der Automobilindustrie erahnen. In Ingolstadt (Audi) wurde in der vergangenen Woche ein großes Sparpaket beschlossen. An 92 Haushaltsstellen wird der Rotstift angesetzt: beim Stadttheater, bei der Jugendarbeit, bei der Unterstützung von Senioren, bei Volksfesten, bei den Stadtbüchereien. In Stuttgart (Mercedes, Porsche) fehlt eine halbe Milliarde im Stadtsäckel. Der „Sanierungsplan“ beinhaltet den Ausverkauf von städtischen Grundstücken, Kürzungen beim Personal sowie höhere Hundesteuer und Kita-Gebühren. Im benachbarten Esslingen werden 200 von 1.500 Vollzeitstellen im Öffentlichen Dienst gestrichen.

„Wer bestellt, muss bezahlen“, fordern die Oberbürgermeister von 13 Landeshauptstädten in einem „Brandbrief“ an die Bundesregierung. Sie klagen über steigende Sozialausgaben und weisen darauf hin, dass den Kommunen immer mehr Aufgaben ohne ausreichende Gegenfinanzierung zugeschanzt werden. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Die gestiegenen Sozialausgaben wurden keineswegs „bestellt“, sondern abgeladen. Weil der Bund zur Finanzierung der Hochrüstung auf eine Kindergrundsicherung verzichtet hat und die Preise für Wohnen und Lebensmittel steigen, werden arme Familien in die Verzweiflung getrieben. Die Kommunen zahlen mit steigenden Ausgaben in der Jugendhilfe. Sie zahlen mit steigenden Unterkunftskosten für die Profitgier der Mietkonzerne, mit steigenden Energie- und Baupreisen für den Wirtschaftskrieg gegen Russland. Die Kommunen fangen die Menschen in der Grundsicherung auf, weil Löhne und Renten nicht zum Leben reichen. Die Sozialausgaben steigen nicht, weil jemand Verbesserungen für die Betroffenen „bestellt“ hätte, sondern weil das Leben von immer mehr Menschen beschissen ist.

Über Jahrzehnte wurden die Kommunen in den Ruin getrieben, weil das neoliberale Streben nach einer privatisierten Daseinsvorsorge zuerst die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand zerstören musste. Der gleiche Mechanismus kommt jetzt zum Tragen, wenn die Fördermittel nur noch fließen, um die Kommunen kriegstüchtig zu machen. Wer sonst nichts mehr investieren kann, baut eben Bunker. Wer sein industrielles Rückgrat verliert, freut sich über die Ansiedlung von Rüstungsfabriken. Wer keine Perspektive für die Jugend hat, begrüßt die Bundeswehr in Schulen.

All das hat die Bundesregierung tatsächlich bestellt – und sie ist fest entschlossen, uns dafür zahlen zu lassen. Der Kampf gegen den kommunalen Kahlschlag lässt sich nicht rein fiskalisch gewinnen. Er muss gemeinsam mit den Beschäftigten von Industrie und Öffentlichem Dienst gegen die Kriegspolitik geführt werden. Denn es ist nicht nur wichtig, wer bezahlt, sondern vor allem, wer bestellt.

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"Frieden bestellen", UZ vom 7. November 2025



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