Die „Linke Liste“ in Nürnberg erringt ein Mandat

Für eine soziale Stadt

In Nürnberg trat am 15. März die „Linke Liste“ zu den Stadtratswahlen mit ihrer Spitzenkandidatin Marion Padua an, die seit 2009 im Stadtrat sitzt. UZ sprach mit ihr über den Wahlkampf.

UZ: Es gibt wegen Computerproblemen noch kein endgültiges Ergebnis für die Kommunalwahl in Nürnberg. Trotzdem hat das Wahlamt eine vorläufige Sitzverteilung veröffentlicht, nach der die „Linke Liste“ mit einem Mandat im Stadtrat ist. Was waren eure Themen im Wahlkampf?

130502 marion - Für eine soziale Stadt - Bayern, Kommunalwahlen - Politik
Marion Padua, Stadträtin der „Linken Liste“ in Nürnberg

Marion Padua: Unser Motto ist „Für eine soziale Stadt“, und zwar nicht nur im Wahlkampf. Die Hauptthemen waren Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr und die Wohnungsproblematik.
Beim öffentlichen Nahverkehr kämpfen wir seit 2011 für das sogenannte „Wiener Modell“. Mit diesem 365-Euro-Jahresticket hat die österreichische Hauptstadt Wien sehr gute Erfahrungen gemacht. Der Kfz-Verkehr wurde stark reduziert und die freigewordene Fläche wird für Radwege, Fußgänger und mehr Grün genutzt. Die gesamte Lebensqualität wurde dadurch verbessert. Mit vielen Aktionen und Stadtratsanträgen hat die „Linke Liste“ in den letzten Jahren einige Vergünstigungen erzielen können: Das Schülerticket wurde im Preis halbiert und eine Jahreskarte zu damals 35 Euro im Monat eingeführt, die jedoch erst ab 9 Uhr gilt. Nachdem SPD und CSU unsere Anträge jahrelang abgelehnt hatten, zogen sie mit unserer Forderung in den Wahlkampf.

UZ: Also haben die anderen Parteien euch zumindest verbal links überholt?

Marion Padua: Nein, die „Linke Liste“ ist immer einen Schritt voraus. Ab September wird das „Wiener Modell“ für Schüler und Auszubildende eingeführt, wir benötigen es jedoch sofort für alle Menschen. Mittel- und langfristig fordern wir einen Nulltarif und haben dazu ein Konzept für eine soziale und ökologische Verkehrswende in unserem 10-Punkte-Programm entwickelt. Diese Verbindung von kurz- und langfristigen Forderungen nahmen die Menschen auf der Straße gut an, wie sehr viele Gespräche an den Infoständen zeigten.

UZ: Und euer zweites Hauptthema, die Wohnungspolitik?

Marion Padua: Neben der Verkehrspolitik war die Wohnungsproblematik für alle Parteien ein zentrales Thema. Wir fordern eine kommunale, soziale und profitfreie Wohnungspolitik. Auch hier unterscheiden wir uns klar von anderen Parteien, deren Forderung ein „Zurück zum sozialen Wohnungsbau“ ist. Dieser ist jedoch de facto eingestellt und durch die befristete Bindung nicht wirklich geeignet, ausreichenden bezahlbaren Wohnraum anzubieten. Es handelt sich dabei nicht um eine soziale Wohnungspolitik, sondern vielmehr um geförderten Wohnungsbau, bei dem vor allem die Investoren profitieren.
Unser Konzept einer profitfreien Wohnungspolitik orientiert sich an Beispielen wie Graz oder Ulm. In diesen Kommunen wurden jahrzehntelang Grundstücke durch die Stadt (zurück-)gekauft und bebaut, um diese Wohnungen profitfrei zu vermieten. In Graz kann dadurch ein Quadratmeterpreis von 4,50 Euro gehalten werden.

Wohnen ist ein Grundrecht und die Macht der Spekulanten und Miethaie auf dem Wohnungsmarkt muss zurückgedrängt werden, indem die städtischen Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften und alternativen Wohnprojekte gefördert werden.

UZ: Die Partei „Die Linke“ war Teil der „Linken Liste“, kandidierte jetzt aber alleine und erreichte drei Sitze. Wie kam es dazu?

Marion Padua: Die Partei „Die Linke“ hat vor gut einem Jahr für sich entschieden, zu den Kommunalwahlen selbst anzutreten und ist dafür aus dem Bündnis ausgetreten. Man ging davon aus, im Alleingang bessere Ergebnisse und Fraktionsgröße erzielen zu können. Diese Rechnung ging nicht auf. Die Partei „Die Linke“ hat weniger Stimmen (3,9 Prozent) als die „Linke Liste“ (4,1 Prozent) bei der letzten Kommunalwahl vor sechs Jahren bekommen. Jedoch wurden Erfolge der „Linken Liste“ recht geschickt „mitgenommen“ und im Wahlkampf mit der Forderung nach einem 365-Euro-Jahresticket eine Kampagne für ein Bürgerbegehren initiiert. Die „Linke Liste“ hat 1,3 Prozent erzielt, das hat unsere Erwartungen nicht erfüllt.

UZ: Hat es auch den Wahlkampf beeinflusst?

Marion Padua: Der Wahlkampf war ein sehr engagierter, kreativer und solidarischer Wahlkampf. Für die Wählerinnen und Wähler waren zwei linke Wahlmöglichkeiten natürlich sehr irreführend. Mit vergleichsweise sehr hohen Wahlkampfinvestitionen der Linkspartei konnten wir als regionales Bündnis nicht mithalten. Jedoch die ursprüngliche Hoffnung der Linkspartei, dass sich wegen deren Austritts die „Linke Liste“ auflöst, hat sich nicht erfüllt.

Wir waren mit unseren unterschiedlichen und engagierten Kandidaten gut aufgestellt. Auf der Liste befanden sich Betriebsräte, Frauenrechtlerinnen, viele Migranten und der zweitjüngste Kandidat Nürnbergs, der wenige Tage vor der Wahl erst 18 Jahre wurde.

Ich denke, der Bedarf für ein breites, überparteiliches Bündnis ist da. Wir arbeiten eng mit der außerparlamentarischen Bewegung und mit Bürgerinitiativen zusammen. Wir tragen ihre Anliegen ins Rathaus. Das ist es, was uns ausmacht und auch von anderen unterscheidet. Durch unsere zwölfjährige Erfahrung sind wir als „Linke Liste“ durchaus zu Experten in der Kommunalpolitik geworden.

UZ: Was sind eure Vorhaben für die Zukunft?

Marion Padua: Wir werden versuchen, unsere Hauptthemen weiter voranzubringen. Hier gilt es vor allem, den Ausbau einer Stadtautoahn, den „Frankenschnellweg“, zu verhindern und den Nulltarif im Öffentlichen Nahverkehr sowie Bildungseinrichtungen weiter zu forcieren. Wir sind aktiv gegen den geplanten Verkauf von städtischen Häusern und Wohnungen und einer großen Villa, die wir im Wahlkampf symbolisch besetzt und als neue KiTa-Einrichtung ausgerufen hatten. Wir arbeiten aktiv in verschiedenen Bündnissen mit und nutzen die Schnittstellen mit anderen Stadtratsgruppen und Fraktionen für eine Zusammenarbeit im Rathaus.

Nun heißt es jedoch, die Daumen drücken, denn wir sind in der Neuauszählung nur 0,06 Prozent von einem zweiten Mandat entfernt.

Das Gespräch führte Christoph Hentschel

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"Für eine soziale Stadt", UZ vom 27. März 2020



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