Bayerns Bundeswehr-Gesetz trifft im Landtag auf breite Zustimmung. GEW protestiert gegen geplante Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit

Kriegstaumel in Weiß-Blau

Laut dem „Eurobarometer“ der EU-Kommission hat ein Viertel der Bevölkerung kein Vertrauen in die deutsche Armee. Trotzdem sprechen sich alle im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien sowie alle von der Landesregierung angefragten Interessenverbände für die Stärkung der Bundeswehr aus. Sie alle folgen der Argumentation der Söder-Regierung: Diese hatte zuvor den medialen Kriegstaumel für sich genutzt und einen Gesetzesentwurf zur Förderung der Bundeswehr in Bayern vorgelegt. Dieser wurde nicht von einem Ministerium, sondern direkt von der Staatskanzlei verfasst. Geht es nach dem Entwurf, werden Soldaten künftig auch im Schulunterricht eingesetzt, Hochschulen zur Kooperation mit der NATO verpflichtet und das Baurecht um einen militärischen Vorrang ergänzt. Letzte Woche wurde der Entwurf in erster Lesung im Landtag diskutiert. Die Parlamentsdebatte bietet einen Vorgeschmack auf die Verhältnisse, die mit der militaristisch-reaktionären Wende einhergehen.

Alle Fraktionen begrüßten den Gesetzesentwurf an sich. Die einzige Fraktion, die sich als „Alternative“ ausgibt und ankündigte, nicht zuzustimmen, begründete das unter anderem damit, dass die CSU den Bundesverteidigungsminister gestellt hatte, als die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Damit sei der Bundeswehr großer Schaden zugefügt worden. In eher früher als später anstehender staatspolitischer Verantwortung will die AfD jedoch nicht mit Nein stimmen, sondern sich geschlossen enthalten. Die Grünen, die in Bayern aufgrund ihres Oppositionsdaseins oftmals die Rolle einer parlamentarischen Regierungskontrolle einnehmen, bezeugten ebenfalls grundsätzliches Einverständnis mit der Zielstellung des Gesetzentwurfs. Sie schlugen sogar vor, einer Resolution für die Stärkung der Armee zuzustimmen, wenn die Regierungspartei dafür ihr Gesetzesvorhaben einstampft. Allerdings sind sie nicht mit allen konkreten Ausführungen des Entwurfs einverstanden, vor allem mit Blick auf die geplante Einschränkung der Hochschulfreiheit.

Dazu erklärte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW Bayern) in ihrer Stellungnahme, die den Abgeordneten und der Öffentlichkeit erst nach der ersten Landtagsdebatte zur Verfügung gestellt wurde: „Die Idee eines ‚Kooperationsgebots‘ läuft dem bundespolitischen Trend der letzten Jahre in den einzelnen Ländern zuwider. So haben Länder wie Bremen und Thüringen im Gegenteil sogenannte ‚Zivilklauseln‘ in ihre Hochschulgesetze aufgenommen, die in Hinblick auf das Wohl und die Würde des Menschen die wissenschaftlichen Einrichtungen zu einer ausschließlich zivilen, d. h. friedlichen Ausrichtung von Forschung und Lehre anhalten. Die restlichen Länder machen den wissenschaftlichen Einrichtungen keine Vorgaben, womit sie ihnen ihr verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 GG) zugestehen. Der hochschulpolitische Ansatz im Entwurf des Ministerrats für ein bayerisches Bundeswehrgesetz ist daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.“ Die GEW appellierte an die Staatsregierung, das Gesetzesvorhaben zu verwerfen und „Ansätze der stärkeren Militarisierung von Bildungseinrichtungen nicht weiterzuverfolgen“.

Diese Haltung stünde den Hochschulen selbst auch gut, die sich in ihrer Einschätzung nicht grundsätzlich gegen die Kooperation mit der NATO stellen – wegen der Schmuddelkinder Ungarn und Türkei jedoch um Prüfung dieses Vorhabens bitten. Die von der Bildungsgewerkschaft GEW oder von den betroffenen Institutionen vorgebrachten Bedenken spielten in der kurzen Debatte im Bayerischen Parlament sowieso keine Rolle. Wichtiger war offensichtlich das politische Bekenntnis.

Eine echte Opposition gegen die Kriegspolitik findet nicht im Maximilianeum statt, sondern draußen in der gesellschaftlichen Realität. Der Aufruf „Unsere Kinder nicht für ihren Krieg“, der unter anderem vom Münchner Friedensbündnis und dem AK gegen rechts in ver.di München unterstützt wird, ruft zu Protesten und Widerstand auf „gegen diesen Kriegskurs, konkret gegen dieses von der Staatsregierung geplante Kriegsförderungsgesetz“.

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"Kriegstaumel in Weiß-Blau", UZ vom 26. April 2024



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