Vielleicht schockierte es mich mehr, was ich am 8. und 9. Mai in Berlin erlebte, als viele, die das schon in den vergangenen zwei Jahren erlebt hatten. Was sich Staatsgewalt und Polizei an den Gedenkstätten für unsere Befreier der Roten Armee erlauben, ist ein trauriger Höhepunkt des reaktionär-militaristischen Staatsumbaus.
Mein Besuch begann in Karlshorst, wo die faschistische Armee nach Jahren des blutigen Vernichtungskriegs die Kapitulationsurkunde unterzeichnen musste. Begrüßt wurde ich von etwa 50 Polizeiwannen und einem riesigen Polizeiaufgebot. An dem Fahnenmast vor dem Museum flatterte eine Fahne, die der Ukraine. Ein wohl russischstämmiger Mann sprach mich an, ob ich ihm das erklären könne. Wie sollte ich? Es folgte mindestens eine Strafanzeige wegen des Vortragens eines für den Tag der Befreiung verbotenen sowjetischen Liedes.
Weiter zum Treptower Park. Dort die doppelte Menge an Polizeiwannen, Absperrgitter und penible Taschenkontrolle. Russische und sowjetische Fahnen verboten, die „junge Welt“ wegen Hammer und Sichel auf dem Titelblatt verboten. Wie entwürdigend, die Angehörigen unserer Befreierinnen und Befreier mussten sich strengen Kontrollen unterziehen, um zur Gedenkstätte vorgelassen zu werden. Im Gegensatz dazu war die ukrainische Fahne, ja sogar die NATO-Fahne erlaubt und von Provokateuren gerne genutzt. Stefan Natke, Mitglied des Parteivorstandes der DKP, wurde kurzzeitig festgenommen und erhielt eine Anzeige. Er hatte das Georgsband historisch erklärt und dabei eines in der Hand gehalten – das war nur mit russischem Pass, nicht mit deutschem erlaubt.
Anders außerhalb des Geländes der Gedenkstätte. Dort waren bei einer Veranstaltung der SDAJ mit Unterstützung weiterer Jugendorganisationen Sowjetfahnen erlaubt – dafür wurde ein Jugendlicher festgesetzt, weil er, recht klein, „From the river to the sea, Palestine will be free“ auf dem T-Shirt stehen hatte.
Im Umgang mit diesen Schikanen, Verboten und Auflagen gab es auch Unterschiede bei der Polizei. Manche betätigten sich detektivisch, um ja alle „Unrecht Begehenden“ zu erwischen, andere schüttelten den Kopf ob soviel Unsinn, agierten etwas zurückhaltender.
Unsinn? Leider ist es zu einfach, das Geschehen so zu nennen. Es geht um das Umdeuten der Geschichte und das Üben von Repression gegenüber denen, die dieses Umdeuten nicht widerstandslos akzeptieren. Dabei wiederum geht es keinesfalls nur um Geschichte als Teil des Vergangenen. Das alles ist Teil der politischen und ideologischen Kriegsvorbereitung.
Die Rolle der Sowjetunion, der Roten Armee, der KPdSU soll geschichtlich getilgt werden, damit die NATO-Integration problemlos läuft. Darum wird wieder vom Tag des Kriegsendes statt vom Tag der Befreiung gesprochen. Deswegen wird die Wende im Zweiten Weltkrieg vom Sieg in Stalingrad zur Landung in der Normandie umdatiert. Die Geschichte soll umgeschrieben werden, damit zukünftige Wehrpflichtige sich wieder mal auf der richtigen Seite verorten, wenn sie als Kanonenfutter gegen den Osten ziehen müssen.
Ein starkes Beispiel, sich dem entgegenzustellen, sind sicher auch die zehntausende vor allem russischstämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich durch all das nicht davon abhalten ließen, die Befreierinnen und Befreier zu ehren. Hier muss das Band mit der Friedensbewegung und mit unserer Partei enger geknüpft werden. Die gemeinsamen Aktionen mit dem „Unsterblichen Regiment“ sind hier ein wichtiger Ansatzpunkt.
Es gab offensichtlich mehr und größere Veranstaltungen in vielen Orten der Bundesrepublik, die sagten: „Danke – Spassibo heißt heute: Frieden mit Russland und China.“