Patrik Köbele zu den Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern

Gestärkt aus der Krise

Der Umgang der Regierenden in Bund und Ländern mit der zweiten Welle der Corona-Pandemie lässt sich kurz zusammenfassen. Die Produktion als Quelle des Kapitalprofits muss weiter laufen; dafür müssen die Werktätigen weiter arbeiten. Mit ihren Ängsten um die Gesundheit werden sie allein gelassen. Schlimmer: Spahns „Wir haben es in der Hand“ suggeriert, sie seien selbst verantwortlich für die zweite Welle und ihre Gefährdung, weil sie nicht auf Kneipengänge und Feierei verzichten könnten. Die Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung sind konfus. Sie betreffen meist das Privatleben, die Erholung. So darf ein Bürger aus Essen an der Ruhr in einigen Bundesländern keine Ferienwohnung mehr nehmen, dafür muss er jeden Morgen in überfüllten Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren.

Der Produktionsprozess bringt die Menschen in Werkhallen, Werkstätten, Büros und auf dem Weg dorthin zwangsläufig in Kontakt und Nähe und damit in Gefahr. Ein Runterfahren findet aber nicht entsprechend der Frage statt, was für die Gesellschaft dringend notwendig ist. Die Produktion wird nur runtergefahren, wenn es einer Branche nutzt, zum Beispiel um Überproduktion zu kompensieren. Kurzarbeit und massenhafter Arbeitsplatzabbau werden mit Corona als alternativlos gut verkauft – und mit Geld aus der Kasse der Bundesanstalt für Arbeit gestützt. Geld, das durch die Beiträge und die Mehrwertproduktion der Arbeiter und Angestellten zusammenkommt. Ansonsten wird die Produktion auf Kosten der Gesundheit aufrechterhalten.

Die Beschäftigten werden noch nicht einmal im Gesundheitswesen ausreichend getestet, wo sie am meisten erkranken und gefährdet sind. Die Gefahren einer solchen Pandemie kannte man seit 2013. Nichts wurde getan, um das Gesundheitswesen darauf einzustellen. Im Gegenteil, es wurde weiter privatisiert, die Arbeitsbedingungen wurden weiter verschlechtert, Arbeitsplätze abgebaut. In der ersten Welle wurden die Probleme an fehlender Schutzkleidung und unorganisierter Testung für alle offensichtlich. Aber nach der ersten Welle hat man wiederum nichts getan, um diese Zustände zu ändern. Dafür hat man begonnen, uns an die Bundeswehr im Innern, an ein Notstandsregime zu gewöhnen. Deutschland soll ja gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Den Herrschenden, auch Kanzlerin Merkel, merkt man in ihren Appellen an die Bevölkerung, nun Verzicht zu üben, durchaus an, dass ihre Angst vor der Entwicklung der Pandemie real ist. Sie fürchten aber weniger mögliche Tote und Erkrankte. Sie fürchten die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Deutschland soll ja gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Das ist die Antwort von Herrschenden im Imperialismus. Dabei gibt es Gegenbeispiele in Kuba, Vietnam und der VR China. Sie alle zeigen, diese Pandemie schreit nicht nur nach gesellschaftlicher Planung und gesellschaftlichem Eigentum. Sie zeigen: Mit gesellschaftlicher Planung und gesellschaftlichem Eigentum ist es möglich, die Pandemie zu bekämpfen, ohne die Menschen allein zu lassen.

Es lohnt sich, diese Erfahrung beim jetzigen Kampf im Öffentlichen Dienst und im Öffentlichen Nahverkehr zu berücksichtigen. Die Versuche der Herrschenden, die Pandemie zu benutzen, um Aktionen und Warnstreiks zu diskreditieren oder zu lügen, es sei kein Geld da, müssen zurückgewiesen werden. Vielmehr muss gelten: Wenn die Herrschenden uns alleine lassen, müssen wir solidarisch zusammenstehen. So können die Beherrschten gestärkt aus der Krise hervorgehen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Gestärkt aus der Krise", UZ vom 23. Oktober 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit