Neue Verbrauchersteuern sollen Konzernen in der EU helfen

„Green Deal“ für Profite

Der Terminkalender der EU-Kommissionschefin von der Leyen ist voll. Nachdem sie aus sicherer Entfernung im Armeehubschrauber am 3. März 2020 die griechisch-türkische Grenzregion inspiziert hat, um sich ein Bild vom Schutz der EU-Außengrenze durch Einsatz von Blendgranaten, Tränengas und Schusswaffen zu machen, stand am Folgetag in Brüssel die Rettung des vom CO2 gebeutelten Planeten an. Von der Leyen präsentierte das mit „Green Deal“ bemäntelte EU-Klimaschutzgesetz, amtliche Bezeichnung: „Verordnung des EU-Parlaments zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität“. Die EU-Kommissionspräsidentin sparte an diesem Morgen nicht an Pathos und Superlativen: Ihr klimapolitisches Gesellenstück vergleicht sie mit der „Mondlandung“, ein großer historischer Wurf soll es sein: „Unser Ziel ist, unsere Wirtschaft mit unserem Planeten zu versöhnen und dafür zu sorgen, dass es für unsere Menschen funktioniert.“

Die EU soll bis 2050 den Status der Klimaneutralität erreichen, sprich, dass der Ausstoß an CO2 und dessen natürlicher Abbau sich die Waage halten. Ab dem als „ökologische Zeitenwende“ festgelegten Jahr 2050 soll die EU sogar die Atmosphäre von schädlichen Klimagasen reinigen, indem Wälder aufgeforstet, Moore renaturiert und Millionen Tonnen CO2 unter die Erdoberfläche gepumpt werden. Ein gigantisches Programm, an dem die Wirtschaft immens profitieren wird: „Der Green Deal ist unsere neue Wirtschaftswachstumsstrategie“, so von der Leyen.

Greta Thunberg, die sich von der Leyen als schmückendes Beiwerk zur Pressekonferenz, die eher einer Feierstunde glich, eingeladen hatte, meldete leichte Zweifel an: „Die Natur lässt sich nicht über den Tisch ziehen und mit der Physik macht man keinen Deal.“ Mit den Naturgesetzen dürfte sich Greta Thunberg auskennen, doch die Logik profitorientierten kapitalistischen Wirtschaftens ist eher das angestammte Metier der Kommissionspräsidentin. So sollen zukünftig Jahr für Jahr 100 Milliarden Euro Investitionskapital aus dem EU-Haushalt an innovative Unternehmen im Green-Deal-Verbund fließen. Es geht dabei um Geld, das in der Mehrheit den steuermittelgespeisten EU-Haushaltsbeiträgen der Mitgliedsländer entstammt. Da schon absehbar ist, dass diese „Anschubfinanzierung“ möglicherweise nicht ausreicht, wird bereits über weitere Verbrauchssteuern nachgedacht, die neben der Mehrwertsteuer installiert werden sollen, zur Verteuerung der Waren und Dienstleistungen führen und damit allein den Verbraucher belasten: Konkret liegt der EU-Kommission bereits der Entwurf einer „CO2-Grenzsteuer“ vor, die auf solche Importe anfällt, die nicht den EU-Klimastandards entsprechen.

Auch „Greenpeace“ steuert neue Ideen bei: Eine „Zulassungssteuer“ soll für Fahrzeuge erhoben werden, die mit Verbrennungsmotoren ausgerüstet sind. Wer nun meint, wenigstens enthalte das EU-Klimaschutzgesetz Regelungen, wie Klimaziele konkret durchgesetzt werden oder wie ein Nachweis über die klimafreundliche Verwendung der bereitgestellten Investitionsgelder geführt werden könnte, sieht sich getäuscht. In der 9-seitigen Präambel der Verordnung herrscht der Konjunktiv: „soll“, „könnte“, „müsste“, „vorbehaltlich“, „ist noch im Einzelnen abzustimmen“. Die sich daran anschließenden kläglichen 11 Artikel erschöpfen sich in nebulösen Bekenntnissen. So erfährt man in Artikel 3 („Zielpfad für die Verwirklichung der Klimaneutralität“), dass bei allen Maßnahmen „Kostenwirksamkeit und wirtschaftliche Effizienz“, „Wettbewerbsfähigkeit“ der EU-Wirtschaft und „Fairness“ der Mitgliedstaaten „zu berücksichtigen“ sind. Die einzig klare Aussage, der „Zielpfad“ knüpfe direkt an die Klimazielvorgabe für 2030 an (von der Leyen spricht hier von 60 bis 65 Prozent CO2-Reduktion), dürfte bereits ins Reich der Fantasie gehören, haben doch die vor wenigen Tagen bekanntgewordenen Gutachten der Klimaforscher belegt, dass Deutschland und andere EU-Staaten das bisher gesteckte Ziel für eine CO2-Reduktion bis 2030 um 55 Prozent bei weitem nicht erreichen werden.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"„Green Deal“ für Profite", UZ vom 13. März 2020



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