Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Das weiß auch die Linkspartei. Und so beglückwünschte sich der nordrhein-westfälische Landesverband der „Linken“ noch am Sonntagabend selbst für sein „historisch bestes Ergebnis bei einer Kommunalwahl“. Auf der dazu verbreiteten Grafik: ein winziger lilafarbener Balken, der den Stimmengewinn der „Linken“ von 1,8 Prozent illustrierte – neben einer monströsen blauen Säule.
14,5 Prozent der Stimmen gingen an die reaktionäre AfD – fast 10 Prozent mehr als bei der letzten Kommunalwahl. Die Rolle des „Wahlsiegers“ fiel jedoch Ministerpräsident Hendrik Wüst zu. Seine CDU hatte mit 33 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1946 eingefahren, war aber (wie die ebenso historisch schlechte SPD) über ihren bundesweiten Zustimmungswerten geblieben. „Dieses Ergebnis muss uns zu denken geben, kann uns auch nicht ruhig schlafen lassen“, so Wüst mit Blick auf das Abschneiden der AfD.
Die Medien nahmen derartige Stellungnahmen genüsslich auf. Wochenlang hatte der bürgerliche Blätterwald auf einen „Rechtsruck“ hingeschrieben – vor allem im Ruhrgebiet, der „Herzkammer der Sozialdemokratie“. Wer Politik aber nicht nur als Farbenspiel oder statistische Rätselbude begreift, weiß: Die Entwicklung nach rechts hat lange vor der Wahl begonnen. Und sie wird auch von denen vorangetrieben, die nun sozialdemokratischen „Herz-Schmerz“ („Spiegel“) verspüren oder wie Wüst unruhige Nächte befürchten.
In Gelsenkirchen ist die Aufregung besonders groß: AfD-Kandidat Norbert Emmerich hat es in die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters geschafft. Seine Gegnerin ist die Sozialdemokratin Andrea Henze. Seit dem Jahr 2020 war die Stadt das Revier von Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD), die nicht erneut antrat. Im Sommer hatte Welge vor „Einwanderung in die Sozialsysteme“ gewarnt und „einen deutlichen Abschreckungseffekt“ gefordert. Neben dieser hauptberuflichen Hetze gegen Arme und Arbeitslose machte Welge auch nebenamtlich als Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Stimmung – gegen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Im vergangenen Jahr warf sie den Gewerkschaften vor, „überproportionale Steigerungen für die unteren und mittleren Lohngruppen“ zu fordern und resümierte: Das „passt nicht in diese Zeit“.
Auch in Duisburg muss sich der amtierende Oberbürgermeister Sören Link (SPD) mit einem AfD-Herausforderer in der Stichwahl herumschlagen. Link hat angekündigt, die berüchtigte „Task Force Problemimmobilien“ auszubauen, die regelmäßig arme migrantische Familien aus ihren Wohnungen wirft. Auf einer Wahlkampfveranstaltung hatte er die Hintergründe erläutert: „Die Belastung von Menschen aus Rumänien und Bulgarien ist eine Zumutung für Nachbarn und Duisburger.“
So sehen die sozialdemokratischen Statthalter aus, die sich in ihren verarmten Trutzburgen dem „Rechtsruck“ widersetzen wollen. Doch die Auseinandersetzung mit ihrer Politik wirft nur Schlaglichter auf ein Land, das im Wahlkampf mit Plakaten überschwemmt war, die „Sicherheit und Ordnung“ forderten – und damit Rassismus und Spaltung wollten. Sonst gibt es keine Angebote: Während Milliarden in die Aufrüstung fließen, sind die kommunalen Kassen leer und die öffentliche Infrastruktur verfällt.
Erwartbar hat rechte Politik zu rechten Wahlerfolgen geführt. Das wird zahlreiche Bürgermeister und Stadträte aber nicht davon abhalten, zu behaupten, dass es andersherum sei – um dann weiterzumachen wie bisher. Ihnen und denen, die sie wegen denkbar knapper Wahlsiege gegen die AfD als „Verteidiger der Demokratie“ beklatschen, kann man nur mit Brecht entgegenhalten: Was ist das für eine Stadt, was seid ihr für Menschen!