Vor dem Bundesparteitag: Die AfD will gerne anders sein, wird aber ständig rechts überholt

Rechtsum in Riesa

Ein Jahr ist es nun her, dass die Plattform „Correctiv“ den Artikel „Geheimplan gegen Deutschland“ veröffentlichte und damit den Startschuss für eine bundesweite Welle von Demonstrationen gegen die AfD gab. Auch die hohe politische Prominenz bis hin zu Kanzler Olaf Scholz (SPD) ließ es sich damals nicht nehmen, bei den Kundgebungen zu erscheinen und „gegen rechts“ zu protestieren. Der von den gleichen Leuten vorangetriebenen rechten Politik in Deutschland tat das selbstverständlich keinen Abbruch. Hochrüstung, sozialer Kahlschlag und die Einschränkung demokratischer Rechte sind weiterhin an der Tagesordnung. Vom Kriegskurs gegen Russland bis hin zur Unterstützung des Völkermords in Gaza hat die Regierung ganz ohne das Zutun der AfD eine reaktionäre Agenda durchgesetzt und dies – solange es ankam – mit einem „antifaschistischen“ Habitus unterfüttert.

Während andere die Rechtsentwicklung vorantrieben, fuhr die AfD Wahlerfolge bei den Landtagswahlen im Osten ein. Bundesweit hat sich die Partei in den Umfragen bei knapp 20 Prozent stabilisiert. Die Massenproteste sind in der Zwischenzeit abgeebbt, könnten aber am kommenden Wochenende noch einmal aufflackern, wenn die AfD in Riesa zum Parteitag lädt. Das bundesweite Aktionsbündnis „Widersetzen“ rechnet mit 10.000 Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten rund um die „WT Energiesysteme Arena Riesa“.

Im Inneren der Halle soll es vor allem um das Wahlprogramm der AfD gehen. Der vorliegende Entwurf bietet alles, was der reaktionäre Gemischtwarenladen hergibt. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik bleibt die Partei bei ihren marktradikalen Wurzeln, fordert die Abschaffung von Umweltschutz- und Sozialstandards sowie von weiteren Einschränkungen für das „freie Unternehmertum“. Den sozialen Wohnungsbau lehnt die AfD ab, ebenso andere „Investitionshemmnisse“ wie Mietendeckel oder Preisbremsen. Stattdessen soll das Wohngeld erhöht werden, um das Einkommen der Vermieter zu subventionieren. Die Rechte der Mieter interessieren nicht weiter, schließlich soll aus den Deutschen erklärtermaßen ein „Volk von Eigentümern“ werden.

Das Bildungswesen begreift die AfD als „Ort der Vorbereitung auf den späteren Leistungswettbewerb“.

Bürgergeldbezieher will die Partei zu „gemeinnütziger Arbeit“ heranziehen und mit neuen Auflagen drangsalieren. Das alles und noch mehr findet sich so oder so ähnlich bei CDU, FDP und den anderen Parteien des bürgerlichen Blocks. Gleiches gilt für das Bekenntnis zur NATO und zur weiteren Aufrüstung. Die AfD setzt sich für die „Wiederherstellung der Wehrhaftigkeit“ ein, beklagt den „desolaten Zustand“, in dem sich die Truppe aufgrund der Waffenlieferungen an die Ukraine und einer „chronischen Unterfinanzierung“ befinde. Zudem müsse die Bundeswehr „ideell revitalisiert“ werden – schließlich entscheide die Motivation der Soldaten „über Sieg und Niederlage“. Wer dann bei den Ausführungen über „deutsche Werte“ und „Ehre, Treue, Kameradschaft und Tapferkeit“ angelangt ist, ahnt: das Programm einer „Friedenspartei“ sieht anders aus. Wie lange die AfD noch punktuell ausschert und sich abweichende Haltungen zum Ukraine-Krieg und zur Stationierung von US-Raketen in Deutschland leistet, bleibt abzuwarten.

Selbst beim eigenen Markenkern, der rassistischen Migrationspolitik, wird die AfD regelmäßig von rechts herausgefordert. Hier fordert sie Grenzkontrollen, Sachleistungen für Geflüchtete – zum Beispiel in Form von Bezahlkarten – und eine „Rückführungsoffensive“. Die „Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte“ wird hingegen begrüßt.

Alles schon mal gehört: zum Beispiel von Olaf Scholz (SPD), der „im großen Stil“ abschieben wollte. Oder von Nancy Faeser (SPD), die den Syrern, die „nicht ausreichend arbeiten“, den Schutzstatus entziehen will. Oder von Friedrich Merz (CDU), der die Ausbürgerung von Straftätern forderte. So weit geht die AfD in ihrem Programmentwurf bislang nicht. Der Parteitag wird zeigen, ob sie noch einmal rechts abbiegt, um programmatisch im Rennen zu bleiben.

Den Wunsch danach gibt es in der Partei jedenfalls, wie das veröffentlichte Antragsheft verrät. In einem Änderungsantrag zum Programm soll die „Annexion der Krim“ und das heutige Russland verurteilt werden. Ein anderer fordert, „nicht blind (zu sein) gegenüber sowjetischen Kriegsverbrechen, der brutalen Vertreibung Deutscher aus ihrer Heimat im deutschen Osten sowie der Errichtung und Stützung des kommunistischen Unrechtsstaates der DDR“. Während der Programmentwurf den bekannten Sermon wiederholt, zeigt sich in der Antragsmappe das gesamte Spektrum der Partei, von den marktradikalen Konservativen bis hin zum faschistischen Flügel.

Der kleinste gemeinsame Nenner findet sich in gesellschaftspolitischen Fragen. Hier setzt die Partei auf den „Kampf gegen Islamisierung“ und das tradierte Bild der guten deutschen Familie. Deren Vermehrungsrate liege allerdings „weit unterhalb des Niveaus zur Bestandserhaltung“, beklagt die Partei. Die deutschen Männer und Frauen müssen also ran, um eine „demografische Wende“ zu schaffen. „Durch soziales Marketing sollen Paare ermutigt werden, ihre Kinderwünsche zu erfüllen“, heißt es deshalb im Programm. Mit welchen Motiven die Partei für eine erhöhte Kopulationsfrequenz werben will, wird allerdings nicht verraten.

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"Rechtsum in Riesa", UZ vom 10. Januar 2025



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