Kanzlerin Merkel als Totalausfall

Heiße Luft statt Klimaschutz

Von Nina Hager

„Lau, leise, lustlos – als ‚Klima-Kanzlerin’ ist Angela Merkel ein Totalausfall“, hieß es in einem Kommentar der „Tagesschau“. Als „große Klimasimulantin“ bezeichnete sie „Die Zeit“. In der vorigen Woche fand der vom Bundesumweltministerium ausgerichtete 10. internationale „Petersberger Klimadialog“ in Berlin statt. Kanzlerin Merkel hielt die Eröffnungsrede. Sie versprach darin zwar, sich der von Frankreich angeführten Gruppe von EU-Staaten anschließen zu wollen, die für die EU Treibhausgasneutralität bis 2050 fordern. Aber über konkrete Schritte schwieg sie. Das Einzige, wozu sie sich auch auf dem Petersberger Dialog tatsächlich konkret durchringen konnte, war ein Lob für das Engagement von Kindern und Jugendlichen in der Bewegung „Fridays for Future“.

Schon zuvor wurde ihr vorgeworfen, dass die „Klimapolitik“ der Großen Koalition bislang nur wenig gebracht hat und sie sich nicht gegen Blockaden aus der Union durchsetzen kann oder sie sich nicht mehr – in ihrer letzten Regierungszeit – an der eigenen Partei reiben will. Nach ihrem Auftritt auf der Konferenz wurde die Kritik lauter. Die Zeit, als sie als „Klimakanzlerin“ gefeiert wurde, ist lange vorbei: Deutschland wird seine Klimaziele verfehlen. Nicht nur die für 2020, auch die für 2030 und – wenn es so weitergeht – auch die für 2050 angestrebte versprochene Klimaneutralität.

Der Kohleausstieg soll, vielleicht, mal so um 2038 abgeschlossen sein, die „Energiewende“ kommt insgesamt viel zu langsam voran, eine CO2-Steuer trifft bei den Unionsparteien auf wenig Gegenliebe. Dobrindt für die CSU und der Wirtschaftsflügel der CDU sind dagegen. In der Verkehrspolitik tut sich gar nichts. Verkehrsminister Scheuer (CSU) blockiert. Bei der Gebäudesanierung, in der Landwirtschaft wäre viel zu tun. Ein Klimaschutzgesetz wird zwar im Umweltministerium von Svenja Schulze (SPD) vorbereitet, aber wie und wann es Kabinett und Bundestag überlebt, wird sich noch zeigen. Es passiert bislang – fast – nichts. CDU und CSU blockieren fast jede Idee, „kaum dass sie geboren ist“, schrieb „Die Zeit“. Es gibt zwar ein „Klimakabinett“, aber wozu ist das eigentlich da? Zum Streicheln der Energie- und Automobilkonzerne? Dabei sind selbst einige Automobilkonzerne schon weiter.

Nicht nur Umweltverbände fordern von Merkel schon seit Längerem, endlich entschlossen zu handeln, statt immer nur zu „diskutieren“. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger erklärte nach dem 10. Petersberger Dialog: „Merkel hat höhere Klimaschutzziele in Deutschland in Aussicht gestellt. Es ist ein Fortschritt, dass die Kanzlerin dem Weltklimarat zugestimmt hat, dass die Emissionen bis 2050 gestoppt werden müssen. Das reicht aber nicht aus: Tatsächlich dürfen die reichen Industriestaaten, die die Verantwortung für die Klimakrise tragen, schon vor 2050 keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen.

Kritisch ist zu sehen, dass Merkel die Entscheidung in dieser wichtigen Frage dem Klimakabinett übertragen hat. Wir hatten von der Kanzlerin erwartet, dass sie sich in der Frage noch eindeutiger positioniert und selbst die Verantwortung übernimmt.“

Deutliche Kritik an ihrem Auftreten auf dem „Petersberger Klimadialog“ kam auch von den Bündnisgrünen. Lorenz Gösta Beutin, Sprecher für Energie- und Klimapolitik der Fraktion der Linkspartei im Bundestag meint, „in ihrer äußerst schwachen Rede beim Petersberger Klimadialog“ habe Merkel „nur heiße Luft“ produziert „und spielt weiter auf Zeit“.

Dabei wissen auch die CDU- und CSU-Vertreter in der GroKo – und nicht nur die Physikerin Angela Merkel –, wie sehr die inzwischen drängt.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Heiße Luft statt Klimaschutz", UZ vom 24. Mai 2019



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