Zum Schusswechsel zwischen Polizei und Bundeswehr

Im Kampfmodus

Schüsse hallten durch das bayrische Erding. 40 Stück sollen laut „Bild“-Zeitung zwischen Polizisten und Soldaten gefallen sein. Ein Feldjäger der Bundeswehr sei dabei durch einen Streifschuss verletzt worden.

Am Mittwoch vergangener Woche schaffte es das Thema zur Eilmeldung, bis zum Wochenende wurde es ruhig um das „Kommunikationsdesaster“, wie es Erdings Oberbürgermeister Maximilian Gotz (CSU) nannte. Die Stadt sei nicht über das Manöver informiert gewesen. Die Bundeswehr hält auf ihrer Internetseite dagegen, die Übung sei „mit den zuständigen Kommunen und Behörden abgestimmt“.

Das ist nicht wirklich gelogen. Der „Bayerische Rundfunk“ berichtete etwa am Morgen des 22. Oktober über das Manöver „Marshal Power“. Es werde die Zusammenarbeit von 500 Feldjägern der Bundeswehr und 300 Einsatz- und Rettungskräften geübt. Laut Bundeswehr würden „die notwendigen Abläufe wirklichkeitsnah“ im öffentlichen Raum geübt – auf einer Fläche von 8.000 Quadratkilometern. Über ein Zehntel Bayerns erklärt die Armee zum Kriegsgebiet. Die Bevölkerung nutzt sie dabei offenbar als Statisten. Denn konkret über die Abläufe informiert wurde sie nicht.

So ist es zu erklären, dass Anwohner die Polizei riefen, als sich an besagtem Mittwoch maskierte Bewaffnete am Rand des Stadtteils Altenerding herumtrieben – vermutlich auf dem Gelände der Straßenmeisterei. Nur 200 Meter davon entfernt liegt der Sportplatz. Die Polizei schickte ein entsprechendes Aufgebot inklusive Hubschrauber. Die Bundeswehrsoldaten interpretierten dies als Teil der Übung und eröffneten das Feuer – mit Platzpatronen. Die angegriffene Polizei erwiderte das Feuer – allerdings mit scharfer Munition.

Wie glimpflich dieser Vorfall ausgegangen ist, wird von Medien und Verantwortlichen in den Vordergrund gerückt. Wie ungeheuerlich und lebensgefährlich diese Kriegsübungen sind, wird ausgeblendet. Was wollte die Bundeswehr denn da eigentlich trainieren, wenn ihre Soldaten denken, es gehöre zum Szenario, dass sie von Polizisten angegriffen werden?

Beim „Bayerischen Rundfunk“ gibt es spärliche Informationen dazu: Der Bündnisfall sei ausgerufen worden, da ein NATO-Staat von einem „autokratischen Aggressor“ überfallen worden sei. Es wird also der Krieg gegen Russland und die Truppenverlegung an die Ostfront geübt. Die Feldjäger in Bayern sollen die Begleitung von Konvois, die Sicherung von Objekten und den Umgang mit Kriegsgefangenen trainieren. Simuliert würden „Verkehrsunfälle, ein Hubschrauberabsturz oder auch ein Hinterhalt auf eine Militärkolonne“. Die Bundeswehr ergänzt: Aufgaben im Rahmen des Manövers seien „das Aufspüren von Waffenlagern“, „die Bekämpfung illegalen Waffenhandels und die Festsetzung irregulärer Kräfte“.

Ein derartiges Szenario ist ja kein Hirngespinst von ein paar verrückten Generälen, sondern basiert auf Einschätzungen der Bundeswehrführung. Dort geht man offensichtlich davon aus, dass der Russe schon im Land ist, um der NATO in den Rücken zu fallen. Das kennt man bisher nur von der NATO-Geheimtruppe Gladio, die genau dafür gebildet wurde und dafür auch die Zusammenarbeit mit Faschisten suchte.

Die Indoktrination scheint zu wirken: Einige Soldaten glauben offensichtlich, der Russe würde sich als Polizist verkleiden, um sie anzugreifen.

Laut von „tagesschau.de“ befragten Anwohnern waren zum Zeitpunkt des Schusswechsels Kinder auf dem Sportplatz. Eltern hätten sie nicht abholen können, da alles abgeriegelt gewesen sei. „Der Sachverhalt wird aktuell von den verantwortlichen Behörden und der Bundeswehr im engen Schulterschluss analysiert“, schreibt die Bundeswehr. Sie habe „entschieden, die Übung fortzuführen“. Seit 25. Oktober sei ein Bürgertelefon eingerichtet. Krieg beginnt hier.

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"Im Kampfmodus", UZ vom 31. Oktober 2025



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