Wera Richter zum Widerstand gegen Defender 2020

Kein Aufmarschgebiet

Die Friedensbewegung läuft sich warm. In Wiesbaden zogen am vergangenen Samstag bei Wind und Wetter mehr als 100 Demonstranten vor die Tore des US-Headquarters in Wiesbaden-Erbenheim. Das Heereskommando ist zuständig für die Kriegsvorbereitung „Defender 2020“. Bei dem größten US-Manöver seit Ende des Kalten Krieges mit insgesamt 37.000 Soldaten aus 16 NATO-Staaten sowie aus Finnland und Georgien wird der Krieg gegen Russland geübt. Bis zu 20.000 US-Soldaten werden samt Gerät über den Atlantik und quer durch Europa an die russische Grenze gebracht.

Deutschland ist mit 5.000 Soldaten dabei und Drehscheibe für die Truppentransporte. Kriegsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ist sichtlich stolz darauf und will gute Gastgeberin sein. In einem Brief an die Bundestagsabgeordneten der Union wirbt sie für reibungslose zivil-militärische Zusammenarbeit: „Die Wahrnehmung Deutschlands als Bündnispartner, der seine Rolle für die Sicherheit aller NATO-Staaten verantwortungsvoll wahrnimmt, hängt auch davon ab, wie erfolgreich wir die Verlegung im gesamtstaatlichen Sinne bewältigen können.“ Dafür werden Straßen, Bahnhöfe, Schienen, Flughäfen und Brücken fit gemacht. Für Krieg ist immer Geld da.

Vor allem im Osten des Landes ist das Bedürfnis groß, sich der ungeheuren Provokation gegen Russland zum 75. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg zu widersetzen. In einem Aufruf „Stoppt den Aufmarsch gegen Russland“, der unter anderem vom Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden initiiert und auch von der DKP unterzeichnet wurde, heißt es: „Zusammen mit dem Großteil unserer Bevölkerung wollen wir nicht länger zusehen, wie insbesondere das ehemalige Territorium der DDR als Aufmarschgebiet für neue Kriegsvorbereitungen gegen Russland missbraucht wird. Wir stehen auf gegen die NATO-Kriegstreiber und ihre deutschen Handlanger.“ Jeder, egal wie alt, solle mitmachen und Flagge zeigen gegen die Kriegstreiber – im heimischen Umfeld, auf Marktplätzen, in Diskussionsgruppen oder an den Knotenpunkten der Truppentransporte.

Zu zwei Aktionskonferenzen in Leipzig kamen jeweils mehr als 100 Vertreterinnen und Vertreter von Friedens- und Kulturgruppen, örtlichen Initiativen und Parteien. Die dritte Konferenz ist für März geplant. Neben Vertretern von DFG/VK, Attac und der Partei „Die Linke“ arbeitet auch die DKP im Koordinierungsrat. Köpfe werden zusammengesteckt über den Karten mit Transportwegen, Rastplätzen und Grenzübergängen. Für den 3. April plant die „AG Grenzschützer“ erste Aktionen an der „Oder-Neiße-Friedensgrenze“. In vielen Orten werden erstmals Ostermärsche vorbereitet. Die Demonstration „Frieden mit Russland“ in Torgau am 25. April, dem „Tag der Begegnung“, steht fest im Protestkalender.

Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, werden dezentrale Aktionen geplant. Die Aktionsgruppe „Lebenslaute“ – klassische Musik an unmöglichen Orten – hat Konzerte unter anderem in Rostock angekündigt, Chöre touren durch Frankfurt/Oder, Görlitz, Weißwasser und Bautzen. Die Berliner Friedenskoordination plant eine „Propagandatour“ mit Straßentheater durch die Stadt und will sich mit einem Offenen Brief an die russische Bevölkerung wenden.
Auch bundesweit steht die Friedensbewegung in den Startlöchern. Für NRW findet an diesem Wochenende das erste Vernetzungstreffen in Düsseldorf statt, in Hamburg trifft man sich am 15. Februar zum zweiten Mal und am Stuttgarter EUCOM, wo „Defender 2020“ koordiniert wird, sind für Ende des Monats die ersten Aktionen angekündigt. Friedensinitiativen, Gliederungen von Linkspartei und DKP sowie Bürgerinnen und Bürger richten Fragen und Forderungen an die Verantwortlichen in den Stadtparlamenten. Die DKP hat ihren Gruppen Musterbriefe für Anfragen an Kommunen, aber vor allem auch an Gewerkschafts- und SPD-Gliederungen zur Verfügung gestellt. Sie werden aufgefordert, aktiv zu werden und ihre Mitglieder zu mobilisieren.

Das ist nötig. Die Friedensbewegung will Sand im Getriebe sein, das Kriegsmanöver stören, AKK die Show vermasseln. Dafür braucht es vielfältigen Widerstand und auch Mut zu zivilem Ungehorsam. Ami go home! Frieden mit Russland!

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Über die Autorin

Wera Richter, geboren 1969, ist stellvertretende Parteivorsitzende der DKP und Chefredakteurin der UZ. Die journalistische Laufbahn begann in jungen Jahren mit einem Praktikum bei der UZ mit Rolf Priemer als Chefredakteur. Damals wurde die UZ wieder Wochenzeitung. Später arbeitete die gelernte Gärtnerin im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung junge Welt. Auf dem 20. Parteitag der DKP 2013 wurde Wera Richter zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und übernahm die Verantwortung für die Organisationspolitik. Ein Job, den sie in der SDAJ kennen und lieben gelernt hatte. 2020 löste sie Lars Mörking als UZ-Chefredakteur ab.

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"Kein Aufmarschgebiet", UZ vom 7. Februar 2020



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