Nach 22 Monaten Vernichtungskrieg

Keine BRD-Waffen mehr für Gaza-Genozid?

Auf den Tag genau 22 Monate, nachdem Israel mit dem Genozid gegen die mehr als zwei Millionen Menschen im Gaza-Streifen begonnen hatte, erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am vergangen Freitag, dass Deutschland „bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern“ mehr nach Israel genehmigen wolle, „die im Gaza-Streifen zum Einsatz kommen können“. Doch die Skepsis unter linken, palästina-solidarischen und Friedensakteuren ist groß.

Um welche Waffen geht es?

Was die Ankündigung genau bedeutet, ist noch unklar. Offenbar sind nicht alle Rüstungsgüter gemeint. Dass es um Waffen geht, „die im Gaza-Streifen zum Einsatz kommen können“, lässt befürchten, dass weiterhin Waffen für die völkerrechtswidrige Besetzung der Westbank, des Südlibanon und Syriens sowie für die Angriffe auf Nachbarländer, Jemen und Iran, geliefert werden. Ausgenommen dürften zudem Munition und Technik für die Luftverteidigung sein. Diese dienen dazu, Raketen und Drohnen aus Gaza, Iran, Jemen und bis Ende letzten Jahres auch aus dem Libanon abzufangen. Damit handelt es sich nicht um „reine Defensiv-Waffen“, sondern sie dienen der Absicherung von Israels Aggressionspolitik.

Die meisten Waffen, die Deutschland seit Oktober 2023 an Israel liefert, dürften für den Einsatz gegen den Gaza-Streifen geeignet sein. Ob die merkwürdige Formulierung sie nun von vornherein ausschließt oder ob es reicht, wenn Netanyahu der Bundesregierung sein „Ehrenwort“ gibt, sie nicht in Gaza, sondern „nur“ im Westjordanland, Libanon, Jemen, Iran und Syrien einzusetzen, ist unklar.

Ebenfalls nicht unter den Exportstopp fallen dürften Güter für die israelische Marine. Dabei beschießen laut einer Forensis-Studie von 2024 auch von Deutschland gelieferte Kriegsschiffe den Gaza-Streifen. Unabdingbar für die Blockade Gazas sind sie ohnehin. Wie die südafrikanische NGO Shadow World Investigations berichtet, verkündete ThyssenKrupp Marine Systems ebenfalls am Freitag, man habe die Ausfuhrlizenz für ein weiteres Kriegsschiff und ein sechstes U-Boot an Israel erhalten. Das „Handelsblatt“ kommt zu dem Schluss, dass sich das Ausfuhrverbot auf „Munition für Artillerie, Panzer oder auch Kleinwaffen“ beschränken dürfte.

Trotz alledem ein Sieg

So unklar bislang ist, wie weit das Verbot gehen wird – klar ist in jedem Fall, dass dieser Stopp viel zu spät kommt und nichts mit einem grundlegenden Wandel in der deutschen Außenpolitik zu tun hat. Unmittelbar nach Beginn des Völkermordes stieg die BRD zum zweitwichtigsten Waffenlieferanten des zionistischen Staates auf, gleich hinter den USA. Die deutsche Rüstungsindustrie verdiente bis heute hunderte Milliarden am Gaza-Genozid. Merz ließ auch jetzt mitteilen, dass Israel das Recht habe, sich zu „verteidigen“, und dass die Hamas zerschlagen werden müsse.

Bei aller berechtigten Kritik und aller Inkonsequenz ist dieser politische Schritt nicht zu unterschätzen. Ein Drittel seiner Waffenimporte bezieht Israel derzeit aus Deutschland. Dass die Bundesregierung sich nun dazu gezwungen sieht, ist nicht zuletzt auf den seit fast zwei Jahren anhaltenden Widerstand der Menschen im Gaza-Streifen, auf internationalen Druck wie der Klage Nicaraguas gegen die BRD und auch auf die anhaltenden Proteste in Deutschland zurückzuführen.

Die israelische Regierung kocht vor Wut über die angekündigte Entscheidung. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft, der Zentralrat der Juden und die Springer-Presse laufen Sturm. Auch in seiner eigenen Partei wird Merz aktuell angegriffen, unter anderem von Roderich Kiesewetter und dem Vorsitzenden der Jungen Union. Das ist mehr als eine Show: Es zeigt, unter welchem Druck die Regierenden stehen.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass jetzt auch nur eine Sekunde Zeit zum Ausruhen wäre. Im Gegenteil: Der Druck muss nicht nur aufrechterhalten, sondern weiter gesteigert werden, damit aus dem „bis auf Weiteres“ kein „vorübergehend“, sondern ein „bis zum Abzug“ wird. Damit der Lieferstopp sich auf sämtliche Waffen ausweitet. Damit endlich weitere Maßnahmen wie Sanktionen folgen. Die Menschen in Gaza haben keine Zeit mehr.

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