Laut, scheinheilig, hilflos

Klaus Wagener zur Reaktion auf Trumps Zölle

Kaum hatte Donald Trump angekündigt, auf Stahl und Aluminium Einfuhrzoll in Höhe von 25 bzw. 10 Prozent erheben zu wollen, erhob sich ein Klagegeschrei, als stünde der Untergang des Abendlandes bevor. Die EU werde „nicht tatenlos zusehen, wie unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen getroffen wird, die Tausende europäische Arbeitsplätze gefährden“, rüstete Kommissions-Chef Jean-Claude Juncker auf. Eine deutliche Antwort forderten auch Wirtschaftsministerin Zypries und natürlich die Lobbyisten der deutschen Stahlindustrie.

Das gerade von den EU-Propagandisten liebevoll gepflegte Bild des freien, demokratischen und handelsliberalen Westens ist nicht mehr als grell gezeichnete Propaganda. Wir leben nicht mehr im Zeitalter des Konkurrenzkapitalismus. Heute ist die Welt unter wenigen Monopolkonglomeraten aufgeteilt, die „ihre“ Staaten dazu nutzen, ihre Profitinteressen maximal abzusichern. Dazu gehören zur Manipulation des Außenhandels Zölle, Einfuhrbeschränkungen und Wechselkurse.

Die EU verhängt ihrerseits hohe Zölle auf Waren, bei denen sie sonst nicht konkurrenzfähig ist. Prominentes Beispiel: Chinesische Solarpaneele. Weil deutsche Solarunternehmen reihenweise Pleite gingen, gibt es nun einen Mindestpreis, den chinesische Anbieter bei Androhung von Strafzöllen von fast 50 Prozent nicht unterbieten dürfen. Oder Autos: Für US-Pkw liegt der Zoll hierzulande deutlich höher (10 Prozent) als umgekehrt der US-Zoll auf deutsche Dreckschleudern (2,5 Prozent). Die EU ist protektionistischer als die USA. Ergebnis: Allein Deutschland erzielt mit den USA einen Exportüberschuss von 50 Mrd. Euro.

Entsprechend hilflos sind nun auch die Reaktionen: Strafzölle auf Harley-Davidson-Motorräder und Bourbon-Whiskey werden Trump nicht abschrecken. Es gibt nicht viel, was die USA nach Deutschland bzw. Europa liefern. Die EU ist auf den Export in die USA stärker angewiesen als umgekehrt die USA auf Ausfuhren nach Europa. Das verhilft nicht zu einer starken Verhandlungsposition. Berlin und Brüssel haben versucht, die umstrittene Position des US-Präsidenten im Inland zur Durchsetzung ihrer Interessen zu nutzen. Eine heikle Wette. Mr. Trump ist in den Kreisen des liberalen Establishments und des geheimdienstlich-militärisch-industriellen Komplexes unbeliebt. Die deutsch-europäischen Exportüberschüsse aber auch.

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"Laut, scheinheilig, hilflos", UZ vom 9. März 2018



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