Mehr als 55.000 Schülerinnen und Schüler haben heute in über 80 Städten gegen das „Wehrdienstmodernisierungsgesetz“ gestreikt, das zeitgleich vom Bundestag verabschiedet wurde. Schülerinnen und Schüler bildeten Streikkomitees. Viele von ihnen haben in den vergangenen Wochen Demonstrationen vorbereitet, Reden geschrieben, Plakate gestaltet, Umfragen durchgeführt und Mitschüler mobilisiert. Die Initiative Schulstreik gegen Wehrpflicht begleitete die Streiks bundesweit. Der bundesweite Aktionstag zeige, wie groß der Widerstand gegen das heute beschlossene Gesetz ist.
Von Kiel bis München, von Göttingen bis Potsdam blieben viele Klassenzimmer leer. „Wir sind beeindruckt davon, wie viele Schülerinnen heute gestreikt haben. Das zeigt: Die Schülerinnen und Schüler sprechen sich nicht nur in Umfragen gegen die Wehrpflicht aus, sondern sind bereit, dagegen aktiv zu werden. Sie haben heute Mut bewiesen. Denn sie möchten nicht sechs Monate lernen, zu töten. Sie wollen nicht im Krieg sterben“, erklärte Hannes Kramer, Pressesprecher der Initiative. Die Teilnehmer streikten trotz Repression und Drohungen von Kultusministerien, Schulleitungen und Versammlungsbehörden. „Sie haben uns mit Fehlzeiten gedroht und versucht, mit Gesprächen einzuschüchtern. Das habe ich auch selbst so erlebt, aber mich entschieden, trotzdem zu streiken“, erzählt Golo Busche aus Kiel, denn: „Was ist schon ein Gespräch mit dem Schulleiter oder unentschuldigte Fehlstunden im Vergleich zu einem halben Jahr in der Kaserne?“
Die Jugend demonstrierte nicht alleine. „An vielen Orten wurden die Schülerinnen von Eltern und Lehrer*innen, zum Beispiel von der GEW, unterstützt“, freut sich Kramer. Am Donnerstagabend hatten bereits mehr als 2.000 Schülerinnen und Schüler in München gegen die Wehrpflicht demonstriert. In Berlin waren über 10.000 junge Menschen auf der Straße, 5.000 in Hamburg und 3.000 in Dresden. In Großstädten wie München, Kiel, Stuttgart oder Köln demonstrierten ebenfalls tausende junge Menschen gegen die Wehrpflicht. Selbst in kleineren Städten wie Marburg, Landau oder Friedberg gingen Hunderte auf die Straße.
Zu den Streiks hatte auch die DKP aufgerufen. An vielen Orten unterstützten Mitglieder der Partei die Demonstrationen. Viele weitere Organisationen hatten ihre Solidarität bekundet, etwa die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) oder einzelne Gewerkschaftsgliederungen.
In vielen Reden und an offenen Mikrofonen wurde deutlich, warum die Schüler lieber streikten, als in die Schule zu gehen. „Wir sollen für Deutschland kriegstauglich werden – doch was ist mit unserem Recht, in Frieden zu leben?“, begründete Phil Werring aus Münster seine Teilnahme an dem Streik. Statt militärischem Drill und Krieg wünschen sich Schülerinnen und Schüler ein Leben ohne Zwang, mit guter Bildung und Ausbildung – und Zukunftschancen.
In mehreren Städten waren Teilnehmer von teils massiver Repression betroffen. In Halberstadt wurden Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums von der Schulleitung eingeschlossen und ihrer Freiheit beraubt. Die Pause fände drinnen statt, beschied die Schulleitung. In Leipzig zog die Polizei zwei Schüler aus der Demonstration wegen eines Transparentes, auf dem Bundeskanzler Friedrich Merz aufgefordert wird, doch selbst zur Bundeswehr zu gehen. Das sei rechtswidrig, behaupteten die Beamten. Eine rechtliche Grundlage für ihr Vorgehen konnten sie nicht nennen. In Hamburg verbot die Polizei eine Zubringerdemonstration. Eine spontan angemeldete Demonstration untersagten die Staatsdiener ebenfalls. In Rostock verschob die Versammlungsbehörde eine angemeldete Demonstration eigenhändig auf 13 Uhr, also nach Schulschluss.
Der Protest ende nicht mit den heutigen Streiks, unterstrich die Initiative Schulstreik gegen Wehrpflicht. „Wir bleiben laut, bis die Wehrpflicht vom Tisch ist. Wir werden jedem Schritt zur Einführung der Wehrpflicht etwas entgegensetzen“, kündigte Ronja Ruh aus Berlin an. Die Initiative ruft zu einer zweiten Runde Schulstreiks am 5. März 2026 auf. Bis dahin bereite man sich auf den nächsten Streik vor und setze sich gegen Bundeswehrwerbung an Schulen ein.
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