Gemeinnützigkeit oder Parteistatus sind die Mittel, um linke Organisationen mundtot zu machen

Lieber kein Verbot

Seit Jahren werden linke und zivilgesellschaftliche Organisationen immer wieder in ihrer Existenz bedroht. Dabei bedient sich der Staat nicht mehr des Mittels des Organisationsverbots, sondern bürokratischer Verordnungen und Regelungen. Das ist viel eleganter, unbequeme linke Organisationen in ihrer politischen Arbeit einzuschränken. Im Vordergrund steht, die jeweiligen Betroffenen schrittweise zu ruinieren. Das droht jetzt der DKP mit dem Verlust des Parteienstatus, das drohte Organisationen, wie der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA), dem globalisierungskritischen Netzwerk „Attac“ oder Campact, mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit. Die Vorwürfe waren immer die Gleichen, die jeweilige Organisation erfülle nicht die rechtlichen Kriterien. Obwohl Gemeinnützigkeit bedeutet, selbstlos im Sinne des Allgemeinwohls zu handeln.

Mit dem Titel „Gemeinnützig“ können Organisationen steuerrechtliche Vorteile geltend machen und Spenden sind steuerlich absetzbar. Was als gemeinnützig gilt, ist in Paragraf 52 der Abgabenordnung festgeschrieben und kann vom Staat mal weiter und auch mal etwas enger ausgelegt werden. Spätestens seit dem Urteil des Bundesfinanzhofes gegen Attac befürchten viele Organisationen, ihre Gemeinnützigkeit verlieren zu können. Nach einem mehrjährigen Rechtsstreit urteilte das höchste Finanzgericht Anfang 2019, dass Tätigkeiten nicht gemeinnützig sind, die darauf abzielen, politische Entscheidungen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Seitdem wird auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gewartet. Dieses Urteil dürfte wegweisend für kommende Auseinandersetzungen um die Frage der Gemeinnützigkeit sein.

Jedoch, wie sich im Fall der VVN-BdA vor zwei Jahren zeigte, können diese Auseinandersetzungen auch glimpflich ausgehen. Hier stufte der bayrische „Verfassungsschutz“ die älteste antifaschistische Organisation der BRD als „extremistisch“ ein, was dafür sorgte, dass die Gemeinnützigkeit auf Bundesebene entzogen wurde. Nachdem der Inlandsgeheimdienst seine Einschätzung änderte, erhielt die VVN-BdA ihren Status der Gemeinnützigkeit zurück.

Schon 2007 musste die „Informationsstelle Militarisierung“ (IMI) in Tübingen um ihre Gemeinnützigkeit bangen, konnte aber auch ihren Status wieder erlangen. Dafür brauchte es jedoch viel Energie, kluges Agieren und vor allem Solidarität. Viele unterschiedliche Initiativen erklärten sich solidarisch und entwickelten effektiven Protest, der nicht überhört werden konnte.

Eine richtige Forderung wäre die Erweiterung der Abgabenordnung um Begriffe wie soziale Gerechtigkeit oder Frieden. Zudem muss klar sein, dass die Arbeit an der politischen Willensbildung gemeinnützig ist. Das muss aber gemeinsam, mit den betroffenen Organisatoren und allen, die solidarisch sind, erkämpft werden. Denn dass Behörden neutrale Instanzen im bürgerlichen Staat sind, glaubt wohl heute niemand mehr. Wem sie in einer bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung dienen, ist nicht schwer zu erraten.

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"Lieber kein Verbot", UZ vom 16. Juli 2021



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