Die UN-Palästinabeauftragte Francesca Albanese bringt Trump, Netanjahu und Kai Wegner zur Weißglut

Nicht zum Schweigen zu bringen

Kolumne

Seit Mai 2022 ist die italienische Juristin Francesca Albanese UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechtslage in den Palästinenser­gebieten. Ernannt wurde sie vom UN-Menschenrechtsrat mit Hauptsitz in Genf, sie leistet die Arbeit unentgeltlich. Wiederholt kritisierte sie Israels Besatzungspolitik in Palästina und nannte den Völkermord in Gaza Völkermord. Für die Regierungen Israels und der USA ist sie eine Hassfigur.

Nun gibt es einen qualitativen Sprung bei Hetze und Verfolgung. Am 9. Juli belegte die Trump-Administration Albanese mit Sanktionen. Hintergrund dürfte sein, dass sie seit Februar schärfere Töne gegenüber den beiden Selbstverteidigungshelden Netanjahu und Trump angeschlagen hat. Nach einem Treffen mit Israels Regierungschef am 4. Februar in Washington hatte der US-Präsident erklärt, die USA könnten die Kontrolle in Gaza übernehmen, die Einwohner nach Ägypten und Jordanien umsiedeln und das Gebiet zu einer „Riviera des Nahen Ostens“ umbauen. Albanese nannte das „absoluten Blödsinn“ und „völlig verantwortungslos“.

Wer aber Schwachsinn eines Führers der demokratischen Welt Schwachsinn nennt, wird bei deutschen Völkermordunterstützern Unperson. Also forderte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), eine für den 19. Februar an der Freien Universität Berlin angekündigte Veranstaltung mit Albanese abzusagen. Sie fand nur online statt. Bereits zuvor verweigerte ihr die Ludwig-Maximilians-Universität München den zugesagten Hörsaal. Am 18. Februar fanden Amnesty International und Medico International in Berlin nur in der Galerie der Tageszeitung „junge Welt“ einen Raum für eine Veranstaltung mit ihr. Die Staatsmacht entsandte dorthin an die 200 zum Teil bewaffnete Polizisten zu einer Bürgerkriegsübung. Albanese sagte damals, sie sei besorgt zu sehen, in welche Richtung sich Deutschland entwickele: „Das werde ich nie vergessen.“

Ihre Arbeit setzte sie unbeirrt fort und erklärte bei Übergabe eines Berichts an den UN-Menschenrechtsrat am 26. März in Genf, „Israels Völkermord“ sei „eine Eskalationsstufe eines langjährigen siedlerkolonialen Auslöschungsprozesses.“ Netanjahus Regierung antwortete darauf routiniert erlogen: Albanese stelle das Existenzrecht Israels in Frage.

20 05 Arnold - Nicht zum Schweigen zu bringen - Francesca Albanese, Gaza-Krieg, Israels Besatzungspolitik, kolonialer Rassenkapitalismus, Palästina, Vereinte Nationen, Völkermord - Positionen
Arnold Schölzel

Ihre Antwort: Ein weiterer Bericht, der auch Kapitalismuskritik enthält. In ihm schrieb sie am 30. Juni: „Koloniale Bestrebungen und die damit verbundenen Völkermorde wurden historisch vom Unternehmenssektor vorangetrieben und ermöglicht.“ Das Resultat sei eine Herrschaftsform, die als „kolonialer Rassenkapitalismus“ bekannt sei. Dasselbe gelte „für die israelische Kolonisierung palästinensischer Gebiete“ und „die Institutionalisierung eines Regimes siedlerkolonialer Apartheid“. Nach jahrzehntelanger Verweigerung palästinensischer Selbstbestimmung gefährde Israel nun „die Existenz des palästinensischen Volkes in Palästina“.

Das reichte endgültig. Nach einem Gespräch Trumps und Netanjahus am 9. Juli folgten Sanktionen, die US-Außenminister Marco Rubio perfekt begründete: Albanese führe „eine Kampagne politischer und wirtschaftlicher Kriegführung gegen die USA und Israel“ und habe sich mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Verbindung gesetzt, damit dieser gegen Staatsangehörige beider Länder ermittle oder diese verhaftet würden – ohne beide Staaten darüber in Kenntnis zu setzen. Die so eines Verbrechens Überführte antwortete am 10. Juli gegenüber „AP“: Die Mächtigen versuchten, sie zum Schweigen zu bringen. „Dies ist kein Zeichen von Macht, sondern ein Zeichen von Schuld.“

Prognose: Der UN-Menschenrechtsrat wird Albanese nicht entlassen und sie wird nicht schweigen. Trump, Netanjahu und Wegner wollen das, können es aber nicht erreichen. Mit standhaften Menschen wie Albanese ändert sich was.

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"Nicht zum Schweigen zu bringen", UZ vom 18. Juli 2025



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