Zum SPD-Parteitag und den Reaktionen der Union

Unsichere Kantonisten

Im Mittelpunkt der Berichterstattung über den SPD-Parteitag stand in den meisten Medien die Klatsche für den Vorsitzenden Lars Klingbeil. Er humpelte mit weniger als 65 Prozent der Delegiertenstimmen noch einmal ins Amt, begleitet von seiner Kovorsitzenden Bärbel Bas, die zum Einstieg 95 Prozent bekam. Die Klage Klingbeils, er hätte sich gewünscht, „dass manche Redner ihren Unmut vorher angekündigt hätten“, geht an die Parteitagsregie. Die hatte den Raum für Debatten offenbar vor allem aus Angst vor den friedenspolitischen Aktivitäten der noch nicht ganz kriegsbesoffenen Teile der Partei beschränkt. Sie hielt es zudem für schlau, noch vor der Aussprache zum besagten Thema wählen zu lassen, so dass die Maulerei des Vorsitzenden und der ihn sekundierenden Medien, eine solche Abstrafung sei feige, die Falschen trifft.

Die Parteitagsregie hatte den Initiativantrag gegen eine „dauerhafte und starre Festlegung der Rüstungsausgaben auf 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes“ an die Seitenlinie gedrängt. Dennoch votierten erstaunliche 35 Prozent der Delegierten für den Antrag. 62 Prozent lehnten ihn ab – das deckt sich ziemlich genau mit dem Wahlergebnis für den Vorsitzenden und macht jedem Denkenden klar, wo die Konfliktlinie liegt, nämlich in der alles entscheidenden Frage um Krieg oder Frieden, Hoch- oder Abrüstung.

Der so abgelehnte Antrag und die Teile der Sozialdemokratie, die ihn stützen, könnten ebenso wie das „Manifest“ der Kräfte, die für eine Umkehr des Kriegskurses plädieren, als Instrument wirken, um endlich auch entsprechende Strömungen in den Gewerkschaften zu stärken. Deren Repräsentantin, die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi, tat sich vor allem dadurch hervor, dafür zu werben, das urvernünftige SPD-Ziel von 15 Euro Mindestlohn für die nächsten Jahre erst einmal wegzusperren. Ihr Plädoyer für diesen Abgesang hat gleichzeitig Bas den Weg zu ihren 95 Prozent geebnet.
Der Rest ist das in bürgerlichen Parteien übliche Gescharre und Gedröhne, um die Einheit herzustellen, die ihre Parteistäbe für das Gewinnen von Wahlen für entscheidend halten. Das betrifft zum einen den lauen Kompromiss in der Wehrpflicht. Sie wird nicht mehr abgelehnt, aber mit der Bitte garniert, zuvor doch alles Mögliche zu unternehmen, um junge Leute dafür zu begeistern, wie ihre Vorfahren fürs Vaterland zu sterben. Noch mehr trifft es zu für den einstimmigen Beschluss, den Verbotsantrag gegen die stärkste Oppositionspartei, die bei den letzten Wahlen die SPD auf den Rang 3 verwiesen hatte, zügig in Gang zu bringen. Jeder weiß, dass diese Ansinnen angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ins Leere läuft.

Die Union als größere Regierungspartei und ihre Berater hatten es schon vor dem Start des Parteitags eingepreist. Am Morgen des ersten Tages erklärte Eckart Lohse in der FAZ auf Seite 1, „warum Spahn für die Union wichtig ist“. Egal wie viel Dreck der am Stecken habe, er stehe für ein entkrampftes Verhältnis zu den 151 Oppositionellen auf dem rechten Flügel: „Sollte sich das Verhältnis zur SPD schlecht entwickeln, (…) könnte mancher in der Union versucht sein, lieber mit wechselnden Mehrheiten (…) weiterzumachen, als eine vorgezogene Wahl mit Zuwächsen für die AfD und dem Verlust des Kanzleramts (…) zu riskieren.“

Die SPD hat sich aus der Sicht der Herrschenden mit ihrem Parteitag als unsicherer Kantonist erwiesen. Sie nehmen Kurs darauf, sich mit der AfD zu arrangieren, die gerade dabei ist, sich des Flügels zu entledigen, der beim Kriegstrommeln gegen Russland noch nicht mitschlägt.

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"Unsichere Kantonisten", UZ vom 4. Juli 2025



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