Noch ein Mietendeckel?

Binnen weniger als 14 Tagen ließ der Berliner Senat erahnen, welche Handlungsmöglichkeiten die Politik besitzt, wenn sie denn will: Der „Berliner Mietendeckel“ wurde am 18. Juni offiziell beschlossen. Im Vergleich zur bisherigen kapitalfreundlichen Wohnungspolitik ein herber Schlag für die Immobilien-Großbesitzer: Die Aktie der Deutsche Wohnen (DW) sank von 42,43 auf gerade mal 32 Punkte (Stand 27. Juni). Den Einbruch konnte bislang auch die neueste Idee der DW-Manager nicht wettmachen: ein eigener „Mietendeckel“!

Ab Juli 2019 gibt der Konzern vor, Mieterhöhungen auf maximal 30 Prozent eines Haushalts-Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete begrenzen zu wollen, was auch bei Neuvermietungen gelten soll. Und: Jede vierte neu zu vermietende Wohnung soll an Mieter mit Anspruch auf eine Sozialwohnung gehen. Das sind zirka 60 Prozent aller Berliner und bedeutet außerdem keine Profit-Einschränkung, weil der Senat ja den fehlenden Mietanteil bezuschusst. 30 Prozent heißt bei Haushalten mit zwei Einkommen in den allermeisten Fällen wohl freie Bahn nach oben. Allenfalls bei Haushalten mit einem Einkommen könnte hier eine Verbesserung drin sein – aber bei Neuvermietungen kann das Unternehmen solche Fälle vermeiden. Und überhaupt böte eine permanente und selbstständige Abfrage der Einkommen aller Mieter durch den Konzern künftig ungeahnte Kontroll- oder Verwertungsmöglichkeiten (Kundendaten). Alles also nur ein schlechter Witz?

Vertreter der Immobilienlobby entblöden sich nicht, das Ganze als Versuch zu loben, mit den Mietern „in einer schwierigen Phase“ „Lösungen“ zu suchen. Beide seien ja „Partner“, keine „Gegner“, so Klaus-Peter Hesse am 27. Juni im „Deutschlandfunk“. Und Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des handzahmen Deutschen Mieterbunds, sekundiert und spricht von einer „positiven Nachricht“ – die DW sei „lernfähig“, wird er in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 25. Juni wiedergegeben.

„Miteinander statt Gegeneinander“ lautete auch das Motto des Immobilienlobby-Kongresses ZIA letzten Donnerstag in Berlin. Gemeint war ein Miteinander von Heuschrecken und Politik, konkret, Vertretern aller Bundestagsparteien. Was genau da besprochen wurde, ist unklar, denn den Mietern blieb nur der Protest vor dem Tagungsort. Das alles lässt Befürchtungen aufkommen, dass der Senats-Mietendeckel vielleicht doch nicht ganz wasserdicht sein könnte. Wieso sonst sollte die DW ihren „Privatdeckel“ hervorzaubern? Klar, das Ganze ist auch Publicity für den Konzern; man kommt einmal mehr in die Hauptstadtmedien und man will der Öffentlichkeit Kompromissbereitschaft vorgaukeln.

Sehen wir den Versuch, den Senats-Mietendeckel zu verwässern, oder will die DW kungeln, um möglicherweise gar am lukrativen Stadtviertel-Neubau im Berliner Ortsteil Buch beteiligt zu werden? Denn auch das ist neu: Wurde all die Jahre zuvor Forderungen nach einem preisgünstigen Wohnungsneubau stets mit dem Argument der fehlenden Flächen begegnet, gibt es – schwupp – plötzlich groß angelegte Neubaupläne am Stadtrand. Bürgermeister Müller (SPD) feiert die Idee einer offenbar privaten Planungsgruppe („Bürgerstadt Buch“), nach der hier bis zu 40000 Wohnungen für 100000 Menschen entstehen sollen.

Ob die DW „Mietendeckel“ anbietet oder nicht, ist letztlich egal. Der Berliner Mietendeckel böte fünf Jahre relative Sicherheit – bei einer ohnehin oft schon zu hohen Miete – wenn alles wie verlautbart durchkommt. Wenn Tausende jüngst verschickter Mieterhöhungsverlangen geprüft sind: Kommen die Vermieter damit durch, oder können sie abgewehrt werden? Wenn klar ist, welche Ausnahmen es geben soll, und wenn absehbar ist, dass die Immobilienlobby keine Gegenmaßnahmen einleiten wird. Fünf Jahre sind allerdings schnell vorbei. Wichtig ist, wie dieser Zeitraum genutzt werden wird: Wer soll was in Berlin-Buch bauen, wo angeblich ein neuer Stadtteil entstehen soll? Oder anders gefragt: Wird der benötigte Neubau in Berlin kommunal und sozial durchgeführt?

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"Noch ein Mietendeckel?", UZ vom 5. Juli 2019



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