Mörfelden-Walldorf braucht eine kommunale Wohnbaugesellschaft

Bürgereigentum wird weggetauscht

Seit Jahren fordern die Fraktion der DKP/Linke Liste und die SPD die Gründung einer kommunalen Wohnbaugesellschaft in Mörfelden-Walldorf. Wäre das verwirklicht, könnte diese bezahlbare Wohnungen in Eigenregie errichten. Die Stadt müsste nicht ihr Tafelsilber verkaufen, um dafür rechtlich unsichere Belegungsrechte einzutauschen und die Kontrolle über den Wohnungsbau einem profitorientierten Konzern zu überlassen. Der aktuelle „blickpunkt“, die Kleinzeitung der DKP Mörfelden, gibt in seiner aktuellen Ausgabe einen Überblick über die konkreten Auswirkungen dieser Politik in der hessischen Doppelgemeinde. Nicht nur das städtische Tafelsilber, sondern auch die kommunale Demokratie bleiben auf der Strecke. Im Folgenden dokumentieren wir den Beitrag aus dem „blickpunkt“. In vielen anderen Städten werden sich Parallelen finden lassen.

Im Oktober letzten Jahres gab es ein Bürgerbegehren gegen ein unvorteilhaftes Grundstücksgeschäft der Stadt. Das sollte so aussehen: Die Stadt verkauft das Grundstück Gärtnerweg/Parkstraße/Sankt-Florian-Straße (circa 3.000 qm) an die Baugenossenschaft Ried. Diese hat dort schon auf Grundlage des Erbbaurechts Mietshäuser mit 24 Wohneinheiten stehen, die aus den Siebzigern stammen. Wie dieses Erbbaurecht ursprünglich zustande kam, ist auch nach mehreren Nachfragen noch immer nicht ganz klar. Im Gegenzug verkauft die BG Ried der Stadt den Pavillon am Mörfelder Dalles, der unter anderem das Dalles-Café beherbergt. Das Grundstück gehört hier ebenfalls der Stadt, nur die „Aufbauten“ gehören der BG Ried. Der Plan war, den Pavillon abzureißen, der arg in die Jahre gekommen und stark sanierungsbedürftig ist. Stattdessen sollte dort ein Wohnblock mit ursprünglich acht, nach neuester Planung 22 Wohneinheiten entstehen, ins Erdgeschoss sollten wieder Geschäfte einziehen.

Die Bevölkerung lief Sturm gegen das Vorhaben, das einer Vernichtung des beliebten Treffpunktes Dalles gleichkäme. Der Charakter des Platzes würde zerstört werden, der Platz wäre fast den ganzen Tag über verschattet, und wo Mieter und Ladenkundschaft parken sollen, wurde in der „Planung“ ganz außer Acht gelassen. Ein Bürgerbegehren wurde gestartet. Die notwendige Zahl von Unterschriften kam jedoch wegen der Corona-Vorschriften nicht ganz zusammen. Elektronische Unterschrift ist bei einem Bürgerbegehren nicht zugelassen, und auf eine Fristverlängerung, die bei einem ähnlichen Fall in Bensheim gewährt wurde, wollten sich weder die Stadt noch das Verwaltungsgericht einlassen. Nun hat die Stadt etwas gemacht, was in solchen Fällen gerne gemacht wird. Man wartet ein bisschen ab, bis sich der Sturm gelegt hat und schafft dann „hintenrum“ Tatsachen.

Die Ladeninhaber in dem Pavillon bekamen im Juni 2022 ein Schreiben, dass der Besitzer des Pavillons gewechselt habe und die Mieten fortan nicht mehr an die BG Ried, sondern an die Stadt Mörfelden-Walldorf zu entrichten seien. Daraus ist zu entnehmen, dass das umstrittene Grundstücksgeschäft wohl zwischenzeitlich durchgezogen wurde.

Aber merkwürdig: Der Stadtverordnetenversammlung wurde ein „Innenstadtentwicklungskonzept“ vorgelegt. Es besteht im Grunde aus einer Liste „freier“ Grundstücke im Innenstadtbereich, die von einer „Planergruppe ROB GmbH“ für einiges Geld im Auftrag der Stadt zusammengestellt wurde. In der Liste sind Kinderspielplätze und andere „Baulücken“ bunt gemischt. Das Grundstück am Gärtnerweg, das an die BG Ried verkauft wurde, ist darin jedoch nicht enthalten. Und das, obwohl in der ursprünglichen Planung festgelegt war, dass man dieses Grundstück, zusammen mit dem angrenzenden Areal, das frei wird, wenn die Feuerwehr ihr neues Gerätehaus beziehen wird, gemeinsam mit der BG Ried „entwickeln“ wolle. Stattdessen taucht in dem „Konzept“ jetzt ein neues Grundstück auf: Der „begrünte Parkplatz“ zu beiden Seiten des Geräthsbaches zwischen Blumenstraße und Sankt-Florian-Straße, von dem bislang nirgendwo die Rede war.
Das schattige Eckchen, das mehr den Charakter eines Parks als eines Parkplatzes hat, soll nun mit zwölf Wohneinheiten bebaut werden. Und mehr noch: Die Stadt wollte doch aus dem „Tauschgeschäft“ laut ursprünglicher Vorlage einen Erlös ziehen. Der ist aber ziemlich schmal geraten. Denn einerseits sollte das Grundstück am Gärtnerweg weit unter Wert an die BG Ried verkauft werden, was mittlerweile wohl geschehen ist. Für die im Gegenzug angekaufte „Schrottimmobilie“ (Originalton eines bekannten Immobilienmaklers) am Dalles hingegen wurde ein weit überhöhter Preis ausgekungelt. Die verbleibende Differenz von etwa 750.000 Euro soll jetzt (wovon in der ursprünglichen Vorlage für die Stadtverordnetenversammlung nie die Rede war) dazu benutzt werden, an der Aschaffenburger Straße (Nähe Gundhof) zwei unbebaute Grundstücke von der HLG (circa 7.100 qm) aufzukaufen.

Das Ganze wurde – wie immer – unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossen. Aber was man so aus Kassel hört, wurde der Kaufpreis wohl nach einigem Hin und Her auf ungefähr 2,6 Millionen Euro festgesetzt – die Stadt muss also noch knapp 1,9 Millionen Euro „mitbringen“, um letztlich Bauland in der Innenstadt Mörfelden gegen Grünflächen am Stadtrand von Walldorf zu tauschen.

Was hat die Stadt jetzt unterm Strich? Ein teures Grundstück in Innenstadtlage zum halben Marktpreis verscheuert. Den Plan, dort gemeinsam mit der BG Ried ein kleines Wohnviertel zu errichten, hat sie offenbar aufgegeben. Eine Schrottimmobilie am Dalles gekauft, an einer Stelle, an der der ersehnte Bau von bezahlbaren Wohnungen kaum sinnvoll zu verwirklichen ist. Und schließlich für den Resterlös plus 1,9 Millionen Euro zwei Feld-, Wald- und Wiesen-Grundstücke in Randlage im Norden Walldorfs erworben. Dort geht Bauen nur mit der Vernichtung von Grünflächen, was die Grünen laut Wahlprogramm doch vermeiden wollten. Und eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, mit der man ohne Investoren in Eigenregie bezahlbare Wohnungen errichten könnte, gibt es noch immer nicht, trotz mehrerer Anträge in der Stadtverordnetenversammlung.
Irgendwie erinnert das an das Märchen von „Hans im Glück“: Hans erhält als Lohn für sieben Jahre Arbeit einen kopfgroßen Klumpen Gold. Diesen tauscht er gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans. Die Gans gibt er schließlich für einen Schleifstein mitsamt einem einfachen Feldstein her. Zuletzt fallen ihm noch, als er trinken will, die beiden schweren Steine in einen Brunnen.

Sinnvolle Grundstücksgeschäfte im Interesse wohnungssuchender Einwohner sehen anders aus.

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"Bürgereigentum wird weggetauscht", UZ vom 5. August 2022



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