Deutsche Soldaten üben in Nörvenich und Büchel den Einsatz von US-Atomwaffen

„Nukleare Teilhabe“ im Praxistest

„Geheime NATO-Übung: Deutsche Luftwaffe trainiert für Atomkrieg“ – als erste titelte „Bild“ in ihrer Kölner Ausgabe vom 13. Oktober mit der angeblich streng geheimen NATO-Übung „Steadfast Noon“ (Standhafter Mittag). In den Folgetagen wurde die von „Bild“ genutzte dpa-Meldung auch von anderen bürgerlichen Presseorganen, wie der „Berliner Zeitung“ und der „FAZ“, übernommen. Geheim ist an der Übung allerdings wenig. Das Manöver findet alljährlich statt, was die Sache nicht besser macht.

„Steadfast Noon“ findet alljährlich zeitgleich mit dem Manöver „Resilient Guard“ (Widerstandsfähiger Wächter) im Raum Büchel statt. Trainiert wird der Einsatz der in Büchel lagernden 20 US-Atombomben. Die sogenannten taktischen Atomwaffen des Typs B61-3 und B61-4 haben eine Sprengkraft von 45 bis 170 Kilotonnen TNT und damit ein Vielfaches der von den USA über Hiroshima abgeworfenen Bombe.
Gegen wen sich die vom 12. bis 21. Oktober andauernde Übung richtet? Auch dazu braucht es nicht viel Fantasie. Einzig neu ist, dass das Einsatzszenario von der NATO durchgestochen worden ist. Die „Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe (IDLw) postete es auf ihrer Webseite und machte damit deutlich, wie sich die NATO-Kriegsplaner den Atomschlag vorstellen: „Der fiktive Staat Faringia steckt in einer innenpolitischen Krise. Der unpopuläre Präsident des Landes macht die NATO für seine Probleme verantwortlich. In seinen an Deutschland angrenzenden Nachbarländern betreibt Faringia im großen Stil verdeckte Aktivitäten. Nach der Wiederwahl des Präsidenten steht Wahlmanipulation im Raum. In Faringia und seinen Nachbarländern kommt es zu Demonstrationen. Zwischen Anhängern der faringischen Regierung und der örtlichen Polizei gibt es Ausschreitungen. Die Lage droht zu eskalieren. Ein militärischer Konflikt wird immer wahrscheinlicher.“

An den beiden Übungen nehmen etwa 600 Soldaten von mehreren in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen stationierten Luftwaffen-, Transport- und Luftabwehreinheiten teil. Zentraler Schauplatz der Übung „Steadfast Noon“ ist in diesem Jahr der Fliegerhorst Nörvenich. Er gilt als Ausweichstandort für die in Büchel gelagerten US-Atomwaffen. Geübt wird, „wie die Bomben aus den Bunkern geholt und die Flugzeuge mit ihnen beladen werden“, weiß der Bundeswehrverband (DbwV). Anschließend starten die deutschen Tornados „zu Übungsflügen“. Italienische, belgische und niederländische Verbände nehmen ebenfalls am Manöver teil. Kein Zufall ist, dass in eben diesen Ländern ebenfalls taktische Atomwaffen der USA lagern. Dass in Nörvenich das Bestücken der Tornados mit Wasserstoffbomben geübt wird, legt nahe, dass auch der Transport der Bomben von ihrem üblichen Lagerort Büchel nach Nörvenich Teil der Übung ist.

Einsatzszenario und Übungsprogramm zeigen, dass es bei der von der Bundesregierung vielgepriesenen „nuklearen Teilhabe“ längst nicht mehr um das „Aufrechterhalten einer glaubwürdigen atomaren Drohkulisse“ geht, sondern um Aggression gegen den Osten.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"„Nukleare Teilhabe“ im Praxistest", UZ vom 23. Oktober 2020



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