Im Comic-Buch „Rampokan“ kehrt ein niederländischer Söldner nach Indonesien zurück

Oh du schöne Kolonie

Friedhelm Vermeulen

Es ist 1946. Sukarno hat ein Jahr zuvor die Republik ausgerufen, nachdem die Japaner aus Indonesien abgezogen waren. Auf dem Weg zurück in eben dieses Land ist Johan Knevel, die Hauptfigur des Comics „Rampokan“ (Javanesisch für „Tiger“). Rampokan steht für ein zeremonielles Ritual, bei dem die Ursache eines Unheils – symbolisch der Tiger oder de facto die Kolonialherren – getötet wird.

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(Bild: aus Peter van Dongen, Rampokan, Avant-Verlag)

Knevel kommt als Söldner, hat sich freiwillig gemeldet. Die Niederlande wollen mit einer „Polizeiaktion“ ihre Kolonie zurückerobern, die sie 1942 an die Japaner verloren hatten. Knevel, der vor dem Krieg zum Studieren in die Niederlande gegangen war, will zurück in eine Heimat, die Niederländisch-Ostindien hieß und nicht mehr existiert, obwohl nur wenige Jahre vergangen sind.

Als jemand, der in Indonesien geboren und von einer indonesischen Kinderfrau großgezogen worden ist, wird Knevel von seinen niederländischen Kameraden kritisch beäugt. Als Niederländer, der versucht, die alte „Ordnung“ wiederherzustellen, wird er von den Einheimischen gemieden und gehasst.

Comicbuchautor Peter van Dongen hetzt seinen Protagonisten von Anfang an durch Konflikte, dramatische Ereignisse und chaotische Szenen, die ihn zum Ende zu den Unabhängigkeitskämpfern und zu der Frau führen, die ihn großgezogen hat. Es ist eine fiktive, abenteuerliche Geschichte, von mystischen Elementen durchzogen, die aber auf historischen Ereignissen beruht.

Knevel, der sich auf der Überfahrt von den Niederlanden auf die Insel Java befindet, gerät mit einem Kommunisten aneinander, der, wie sich später herausstellt, den Unabhängigkeitskampf unterstützen will. Dazu wird es leider nicht kommen. Denn Knevel tötet ihn und wird später sogar seine Identität annehmen. Er wird – in Indonesien eingetroffen – in Schwarzmarkthandel verstrickt und versucht immer wieder auf die Spur seiner eigenen Geschichte zu kommen. Ihn treibt die Sehnsucht nach einem Ort, der nicht existiert. Ein Ort, an dem ein Kind im Haus eines niederländischen „Herrenmenschen“ von einer indonesischen Kinderfrau liebevoll großgezogen wurde.

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(Bild: aus Peter van Dongen, Rampokan, Avant-Verlag)

Van Dongen thematisiert die brutale Gewalt, mit der die Kolonialtruppen gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. Einordnen will er diese Ereignisse allerdings nicht, es bleibt bei der Erzählung der Geschichte Knevels und dessen, was er erlebt. Die Unabhängigkeitskämpfer sind für den Protagonisten wie für den Autor keine Helden. Sie bleiben gegenüber Niederländern – auch vermeintlich wohlgesonnenen – betont distanziert und misstrauisch, ja erscheinen sogar bedrohlich oder feindselig.

Als 1998 der erste Teil in den Niederlanden erschien, hatte „Rampokan“ eine hohe Brisanz. Denn der Krieg, den die Armee zwischen 1945 bis 1949 gegen die Unabhängigkeit Indonesiens führte, wurde hier lange als „Polizeiaktion“ verharmlost. Zwar habe es einzelne Übergriffe gegeben, so die offizielle Haltung der Regierung, im Allgemeinen habe sich die Armee aber korrekt verhalten. Erst vor einem Jahr erschien eine Studie in den Niederlanden, die Folter, Misshandlungen, willkürliche Exekutionen, Plünderungen und das Niederbrennen ganzer Dörfer als systematisches Vorgehen der niederländischen Militärs dokumentiert. Und es ist gerade mal drei Monate her, dass sich Ministerpräsident Mark Rutte bei Indonesien entschuldigte. Formal könne man aber immer noch nicht von Kriegsverbrechen sprechen, heißt es von der Regierung in Den Haag. Denn der juristische Begriff sei erst mit der Genfer Konvention 1949 geschaffen worden.


Peter van Dongen
Rampokan
Gesamtausgabe
Avant-Verlag
Hardcover, vierfarbig, 176 Seiten, 39 Euro
Erhältlich im UZ-Shop


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"Oh du schöne Kolonie", UZ vom 31. März 2023



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