Leiharbeit, Stammbeschäftigte und Werkverträge

Ohne Mitwirkung sind Betriebsräte machtlos

Kürzlich war geplant, 600 Leiharbeiter bei Daimler in Rastatt zu entlassen. Der Konzern bestritt ein Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte, weil deren „Arbeitgeber“, nämlich die Zeitarbeitsfirma, ja keine Entlassungen ausgesprochen habe. Es war von vornherein klar, dass Daimler im kommenden Jahr wieder Leiharbeiter einstellen würde. Die Betroffenen und die Betriebsräte sowie die IG Metall protestierten gegen eine solche „Hire and Fire“-Politik. Daraufhin wurde die Frage gestellt, ob die Leiharbeiter nicht wenigstens in Kurzarbeit gehen könnten. Die Bundesregierung hatte nämlich angekündigt, die Kurzarbeitergeldregelung für Leiharbeiter bis Ende des Jahres zu verlängern. Bevor dies entschieden wurde, kam es schließlich zur Zusage einer schrittweisen Übernahme von 400 der 600 Leiharbeiter von 2022 bis 2023. Wenn diese 400 Leiharbeiter schließlich 2023 von Daimler „übernommen“ worden sein sollten, dann können sie sich zu den „Stammbeschäftigten“ zählen.

Doch dies ändert nichts daran, dass Leiharbeiter grundsätzlich „entlassen“ werden können, ohne dass Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht haben. Und es ändert auch nichts daran, dass sie später wieder eingestellt werden können, ohne dass dies irgendeine Auswirkung auf ihr Beschäftigungsverhältnis hätte. Gleichwohl übernehmen die Automobilkonzerne immer wieder einige Leiharbeiter in die Stammbelegschaft. Das hat verschiedene Gründe. Ein Grund ist, dass Leiharbeiter grundsätzlich nicht dauerhaft beschäftigt werden können und die Unternehmen auch auf Neueinstellungen angewiesen sind. Von dieser „Last“ sind sie bei Werkvertragsbeschäftigten befreit. Diese Art der „Leiharbeiter“ haben gar keine rechtliche Beziehung zum „Entleihbetrieb“, sondern werden auf Grund eines Werkvertrages mit ihrem Arbeitgeber im Unternehmen meist genau so tätig wie Leiharbeiter und Stammbeschäftigte.

Der Vorteil für die Unternehmen: Diese Arbeiter erhalten dauerhaft weit weniger Lohn als Stammbeschäftigte und Leiharbeiter. Sie haben kaum Möglichkeiten, eine „Übernahme“ durch das Unternehmen durchzusetzen. Dies ist nur dann möglich, wenn es den Betroffenen gelingt, genau nachzuweisen, dass sie in die Arbeitsorganisation des Unternehmens „eingegliedert“ sind. Eine solche Eingliederung aber wird von den Unternehmen meist dadurch verhindert, dass die Vorgesetzten, die den Werkvertraglern Weisungen erteilen, ihrerseits im Wege der „Konzernleihe“ an die Werkvertragsfirmen „ausgeliehen“ sind, sodass es plötzlich auf deren Weisungen gar nicht mehr ankommt.

Natürlich ist dies nur ein juristischer Trick, der an der Sache nichts ändert. Die Betroffenen sind in die Arbeitsorganisation eingegliedert. Dennoch haben Werkvertragsbeschäftigte immer wieder erfolglos geklagt, bis schließlich das Bundesarbeitsgericht die bloße Behauptung der Konzernleihe nicht mehr gelten ließ und ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen wieder aufhob.

Der Kampf ums Recht ist damit aber für die Werkvertragsbeschäftigten noch lange nicht zu Ende. Sie bilden die größte Gruppe der prekarisierten Beschäftigten in den großen Unternehmen. Selbst ein Verbot der Leiharbeit hätte auf ihren Status keine Auswirkungen. Betriebsräten, die ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung der Werkvertragler reklamieren, wird gern entgegengehalten: Diese sind nicht „eingegliedert“. Dann aber besteht tatsächlich kein Beteiligungsrecht. Nur: Ob sie eingegliedert sind oder nicht, lässt sich nur durch genaue Recherche feststellen.
Ohne Mitwirkung der Beschäftigten sind die Betriebsräte machtlos. Andererseits sind die Betroffenen auf Informationen der Betriebsräte über die Arbeitsorganisation angewiesen. Trotzdem ist der juristische Weg mühsam und auf Dauer nicht erfolgversprechend. Mustergültig waren die von den Vertrauensleuten der IG Metall von Daimler in Bremen 2014/2015 organisierten Streiks und Demonstrationen gegen Leiharbeit und Werkverträge. Allerdings beteiligte sich die IG Metall offiziell nicht an diesen Auseinandersetzungen.

Die Gewerkschaften haben bislang keine klare Strategie für den Weg zur „formalen“ Einheit der Belegschaft gefunden. Oftmals entscheiden sich Interessenvertreter für die Sicherung der Arbeitsplätze der Stammbelegschaft und betrachten Werkvertragler nicht als vorrangige Teile der Belegschaft. Dies führt zu Frustrationen unter den Beschäftigten und schwächt deren Kampfbereitschaft.

Immer mehr Betriebsräte erkennen aber, dass nur ein einheitlicher Status der Beschäftigten auch solidarisches Handeln auf Dauer möglich macht. Die Abschaffung der Leiharbeit und ein Verbot der Werkvertragsarbeit sind die richtigen Forderungen auf dem Weg dahin.


Petition für ein Arbeitsgesetzbuch

Rolf Geffken hat eine Petition für ein Arbeitsgesetzbuch initiiert. Seit 1990 verspricht der Einigungsvertrag und damit das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland die Schaffung eines einheitlichen Arbeitsgesetzbuches. Seitdem aber ist nichts passiert.

Es reiche bei weitem nicht, einen höheren gesetzlichen Mindestlohn zu fordern; vielmehr sei es Zeit, wieder zu einem Normalarbeitsverhältnis im Arbeitsleben zurückzukehren, so Geffken.

Die Forderung sei für alle abhängig Beschäftigten von größter Wichtigkeit, denn bislang fänden sich Arbeitsrechte verstreut auf zahllose Einzelgesetze und in einem unüberschaubarem Richterrecht, das verfassungsrechtlich höchst problematisch sei.

Wer die an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gerichtete Forderung nach einem Arbeitsgesetzbuch unterstützen möchte, kann die Petition online unterzeichnen: www.openpetition.de/!arbeitsgesetzbuch

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"Ohne Mitwirkung sind Betriebsräte machtlos", UZ vom 15. Oktober 2021



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