Bei der Güterbahn DB Cargo droht „enormer“ Abbau von Arbeitsplätzen

Auf Schrumpfkurs

Marco Gaetano

Der Vorstand der Güterverkehrstochter der Deutschen Bahn hat dem Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) eine „Transformation“ verordnet. Das sei „die nächste Runde jahrzehntelanger Schrumpfpläne“, kritisiert der Gesamtbetriebsrat in einem Rundschreiben vom 19. Februar. Grundlage der Sanierung seien zwei sogenannte Weißbücher.

„Kern“ des ersten „Weißbuchs“ sei unter anderem die „Verlagerung aller Verkehre des Kombinierten Verkehrs an Tochterunternehmen bzw. Beteiligungen sowie der massive Abbau im produktionellen wie auch im administrativen Overhead. Dies hätte einen enormen Abbau von mehr als 1.500 Arbeitsplätzen – allein im ‚Weißbuch‘ 1 – zur Folge’“, heißt es in der Sonderausgabe der Betriebsrats-Zeitung „BRandaktuell“. Im Kombinierten Verkehr wird ein Sattelanhänger oder Container die längste Strecke mit dem Zug transportiert und für die letzte Meile auf einen LKW umgeladen. Das große Ziel des Cargo-Vorstands: „Wettbewerbsfähig“ werden.

Hintergrund der Pläne ist der zunehmende Druck auf DB Cargo, schwarze Zahlen zu schreiben. Der Vorstand argumentiert, mit dem Kombinierten Verkehr könne man kein Geld verdienen, solange dieses Geschäft in das zu „komplexe“ System DB Cargo integriert sei. Das Unternehmen schreibt seit Jahren Verluste im hohen dreistelligen Millionenbereich.

Schützenhilfe gibt es von der „Fortschrittskoalition“, die besser unter dem Namen Ampel-Regierung bekannt ist. Die Transformation helfe, aus DB Cargo ein „nachhaltig wirtschaftliches Unternehmen mit branchenüblichen Renditen zu machen“. Und Druck kommt auch aus Brüssel: Die EU-Kommission führt ein Verfahren wegen des Verdachts der Wettbewerbsverfälschung wegen unzulässiger staatlicher Beihilfen.

Vielen der privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen im Gütertransport gelingt es scheinbar, schwarze Zahlen zu schreiben. Das liegt daran, dass diese vor allem in den Filetstücken des Schienengüterverkehrs aktiv sind. Sie fahren Transporte, die mit wenig Personal und Aufwand durchgeführt werden können. Ganzzugverkehr und eben Kombinierter Verkehr heißen diese Geschäftsfelder. Die Verluste von DB Cargo dürften vor allem darauf zurückzuführen sein, dass die DB-Tochter den Bärenanteil des sogenannten Einzelwagenverkehrs (EV) stemmt. Dieser macht einen Anteil von 18 Prozent am gesamten Schienengüterverkehr aus. Die DB Cargo betreibt 90 Prozent davon.

Im EV werden einzelne oder mehrere Güterwagen bei Kunden abgeholt und auf Rangierbahnhöfen zu Zügen zusammengestellt. Der EV ist personal- und zeitintensiv und damit nicht lukrativ. Aber er ist für die große und mittlere Industrie „unverzichtbar“, wie die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) schreibt. „Er erbringt 50 Prozent der Schienentransporte der deutschen Stahlindustrie (damit ca. 25 Prozent ihrer gesamten Transporte!) und hat auch eine große Bedeutung für Logistikketten von Chemie, Papier & Zellstoff, Holz, Entsorgung, Bahnbau etc.“ Der Bundesverband der Deutschen Industrie formuliert das so: „Das flächige System des Einzelwagenverkehrs ist das Rückgrat vieler deutscher Schlüsselindustrien und ein Alleinstellungsmerkmal unseres Industriestandorts.“

Die Subventionen für DB Cargo sind vor allem eine Subvention des Einzelwagenverkehrs. Und damit indirekt eine Stütze für die große und mittlere Industrie. Große Hoffnungen setzten Vorstand, Politiker, aber auch die EVG in Produktivitätszuwächse durch stärkere Automatisierung und Digitalisierung des Einzelwagenverkehrs. Bis zum Jahr 2025 soll neue Technik den EV „auskömmlich“ werden lassen. Bis dahin wolle man diesen weiter „wettbewerbsneutral“ fördern, heißt es von Seiten der Regierung.

Die Verlagerung des Kombinierten Verkehrs ist nicht das Ende der Fahnenstange. Weitere Weißbücher und damit eine Fortsetzung des Schrumpfkurses dürften folgen. „Scheitern die Pläne von DB Cargo, würden die Verkehre des Kombinierten Verkehrs wohl von den Wettbewerbern außerhalb der DB AG in Gänze oder von der Straße übernommen“, wie die EVG in einer Stellungnahme schreibt. Seit Jahren verliert das Unternehmen Anteile. Rund 60 Prozent der Transporte auf der Schiene wurden 2022 bereits von privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) gefahren. Die vollständige Liberalisierung des Schienengütertransports schreitet voran. Das auf EU-Ebene laufende Verfahren wirkt dabei schon jetzt wie ein Brandbeschleuniger.

Von ernsthaften Plänen einer spürbaren Verkehrsverlagerung kann aber ohnehin keine Rede sein. Die „Fortschrittskoalition“ zielt lediglich auf ein sogenanntes „Level Playing Field“ – also einer „Gewährleistung gleicher und fairer Wettbewerbsbedingungen“ – zwischen den Verkehrsträgern Straße und Schiene ab, wie sie in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von CDU/CSU zugeben. Mehr als etwas finanzielle Förderung, das Herumwerkeln an bürokratischen Rahmenbedingungen und der Versuch einer Rettung der kaputtgesparten und abgebauten Infrastruktur sind nicht drin.

Der Anteil des Schienengüterverkehrs am gesamten Transportvolumen liegt derzeit bei rund 19 Prozent. Ziel der Bundesregierung ist eine Erhöhung auf 25 Prozent. Angesichts fehlender politischer Maßnahmen zur Stärkung der Schiene, drohender Sanktionen durch die EU und der größten deutschen und europäischen Güterbahn auf Schrumpfkurs wirkt dieses Ziel geradezu absurd.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Auf Schrumpfkurs", UZ vom 1. März 2024



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flugzeug.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit