In Ecuador hat Correas Modell Vertrauen verspielt

Reversible Revolution

Die Wahlen im südamerikanischen Ecuador sind unerwartet ausgegangen. Der Kandidat der „Union der Hoffnung“ (UNES), Andrés Arauz, hat seinen Vorsprung aus der ersten Wahlrunde am 7. Februar (32,7 Prozent) gegen den Banker Guillermo Lasso (damals 19,7 Prozent) nicht vergolden können. Lasso vom rechten Bündnis CREO/PSC, der 2013 deutlich an Rafael Correa und 2017 in der Stichwahl knapp an Lenín Moreno gescheitert war, gewann die zweite Wahlrunde am 11. April mit 52,4 Prozent der gültigen Stimmen.

Arauz verbesserte sich von etwas über drei Millionen nur auf 4,2 Millionen Stimmen; Lasso dagegen von 1,8 auf 4,65 Millionen. Das mutet umso erstaunlicher an, als ja die knapp ausgeschiedenen Kandidaten der Februarwahl, Yaku Pérez (19,4 Prozent) für die „Indigenenpartei“ Pachakutik und Xavier Hervas (15,7 Prozent) für die sozialdemokratische ID, die zuletzt 1988 bis 1992 regierte, in unterschiedlicher Weise Idealen oder Projekten der politischen Linken zugeordnet werden können: Umweltschutz, Minderheitenrechte, soziale Gerechtigkeit. Von den anderen zwölf Frauen und Männern, die sich beworben hatten, waren insgesamt nicht einmal 1,2 Millionen Stimmen zu verteilen – und auch diese keineswegs allein der Rechten zuzuordnen. Bei beiden Wahlgängen lag die Enthaltungsquote trotz geltender Wahlpflicht hoch (19 beziehungsweise 17 Prozent der Abstimmungsberechtigten); zu addieren ist die Abgabe von leeren oder ungültigen Stimmzetteln (12,6 und 17,9 Prozent unter den Abstimmenden). In der Stichwahl stieg also die Beteiligung, aber auch die Ablehnung beider Kandidaten. Lasso wurde letztlich von 35,5 Prozent der Berechtigten gewählt, Arauz von 32,3 Prozent. 32,1 Prozent wählten nicht oder ungültig – und das in einer polarisierten Stichwahl, wo es bekanntlich zwischen linker „Bürgerrevolution“ und rechter „neoliberaler Nacht“ zu entscheiden galt.

Wenn aber zunächst mehr als zwei Drittel bei „der Linken“ landen – warum reicht es neun Wochen später nicht wenigstens zu etwas mehr als der Hälfte? Eine erdrutschartige Verschiebung nach rechts, zu einem wirtschaftsliberalen Finanzoligarchen und Mitglied des extrem konservativen „Opus Dei“, ist nicht durch aktuellere Ereignisse begründet. Daher liegt die Vermutung nahe, dass für viele ein Nein zu einem Kandidaten, der im Hintergrund von Ex-Präsident Rafael Correa gestützt wird, von vornherein klar war. Und so bekam Lasso den Großteil seines Zuwachses von Menschen, die zuvor für Pérez oder Hervas gestimmt hatten.

Der in Belgien wohnende Correa, der vor einem Jahr wegen Bestechlichkeit zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, hatte während seiner zehnjährigen Amtszeit die erbärmlichen Sozialstandards erhöht und vor allem die Armutsquote drastisch senken können. Gleichzeitig war die Vetternwirtschaft im subjektiven Empfinden vieler stark angestiegen. In der Zeit von Correas Nachfolger Moreno – dem auf dem Ticket der „Bürgerrevolution“ ins Amt gekommenen früheren Vizepräsidenten Correas – wurden parallel zu einer Rechtswende zahlreiche Korruptionsverfahren gegen einstige Weggefährten eingeleitet. Diese aufgeheizte Stimmung bediente die Kampagne von Guillermo Lasso; in den Medien wurden überzogene Listen von Korruptionsfällen verbreitet und zudem Morenos schlechte Bilanz bewusst falsch dem Correa/Arauz-Lager zugerechnet.

Korruption und Betrug existieren natürlich in Ecuador – wie es diese auch in Deutschland gibt, wo sie dann als „Klüngel“, „Schummelei“ oder „Verfehlung“ verniedlicht werden. Maßgeblich für die krachende Niederlage des Projekts von Arauz, das auch ein Rückkehrprogramm für Correa werden sollte, ist aber vielmehr die offenkundige Weigerung, den Widerspruch aus wortgewaltigen Ansprüchen – es war wie in Venezuela nicht unter „Revolution“ zu machen – und der Unzufriedenheit der nicht besitzenden Klassen, denen vage demokratische und strukturelle Reformen nicht genügen können, zu sehen. Wie schon in Brasilien deckelt die durchaus oft haltlose gerichtliche Verfolgung eine notwendige Analyse. Arauz‘ Niederlage müsste der Runderneuerung dienen – aber dieser sieht „weder eine politische noch eine moralische Niederlage“. Wenn so linke Politik aussieht, gewinnen die Rechten.

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"Reversible Revolution", UZ vom 23. April 2021



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