Von Biden und seinem neuen Kabinett wird eine Kriegspolitik wie unter Obama erwartet

Rückkehr zur „Normalität“

Joseph Biden hatte die Wahlen gewonnen, lange bevor ein Ergebnis feststand. Seit vier Jahren arbeitete das Washingtoner Establishment auf diesen Moment hin: Donald Trump, „Wladimir Putins Marionette im Weißen Haus“, hatte gegen die „Blaue Welle“ keine Chance. Verbohrt, wie Trump nunmal ist, will er seine Niederlage nicht eingestehen. Insbesondere die „New York Times“ und die „Washington Post“ engagierten sich gegen Trump. Beide Blätter verfügen über exzellente Verbindungen zu den US-Geheimdiensten.

Nun werden Fakten geschaffen. Das zukünftige Kabinett von Joseph Biden wird verhandelt. Der neue Präsident will zu einer „Normalität vor Trump“ zurückkehren. Trump gilt als Betriebsunfall, den es zu überwinden gilt. Die schlichte Wahrheit lautet allerdings: Die „Normalität vor Trump“ war die Ursache für Trump. Und sie ist der Grund, warum seine Anhänger ihm nach wie vor die Treue halten. Ihre Probleme sind nicht gelöst. Sie explodieren in der jetzigen Krise geradezu. Und sie werden auch unter Joseph Biden, wir erinnern uns an das Krisenmanagement 2008/09, nicht gelöst werden. Eine Rückkehr zu dieser „Normalität“ wäre kein Fortschritt, sondern ein Desaster. Ein Desaster allerdings, das Gewinner und Verlierer kennt und dessen Gewinner nun die neue-alte „Normalität“ des imperialen Herrschaftsanspruchs des US-Imperiums feiern wollen.

Der Mann des Großen Geldes und der US-Kriegsmaschine, Joseph Biden, hat diesen Suprematie-Anspruch erneut erhoben. Auch er will erklärtermaßen die Konfrontationspolitik gegen Russland und vor allem gegen China sowie die Kriege im Großraum Naher/Mittlerer Osten fortsetzen. An der opulenten Finanzierung der US-Kriegsmaschine soll sich ebenso nichts ändern. Die Rückkehr zur „Normalität“ der permanenten Kriege der Bush- und Obama-Ära.

Lässt man sich einmal auf die Personalspekulationen ein, so zeigt sich, dass die Biden-Kampagne die Rückkehr zur imperialen „Normalität vor Trump“ auch personell umsetzen wird. Zum selbsternannten „Top Cop“ Kamala Harris könnte sich das Dream-Team der „demokratischen“ Außenpolitik – Susan Rice, Samantha Powell, Victoria Nuland und Hillary Clinton – gesellen. Die „Queens of Chaos“, um einen Ausdruck der US-Autorin Diana Johnston zu verwenden. Susan Rice gilt als Anwärterin auf das Außenamt, Michèle Flournoy, eine weitere militante Hardlinerin, könnte das Pentagon übernehmen. Beide vertreten die bekannte „Politik der Stärke“, vor allem gegenüber Russland, Iran und China. Das Biden-Kabinett in spe ist die Personifizierung von Big Money, Big Tech und des militärisch-industriellen Komplexes. An den grundlegenden geostrategischen Orientierungen und der bisherigen Kriegs- und Konfrontationspolitik dürfte sich wenig ändern.

Deutsch-Europa hat sich von Bidens „Normalität vor Trump“ eine Rückkehr zu den guten alten Zeiten versprochen, als man noch gemeinsam ungestört die Welt ausplündern konnte. Darum wurde Trump zum Anti-Typ und Biden zum Heilsbringer. Ob das tatsächlich klappt, ist eine andere Frage. Die ökonomischen Realitäten sprechen eine andere Sprache. Die ökonomische und damit auch strategische Konkurrenz zwischen Europa und den USA hat sich erheblich verschärft. Das völlig überschuldete und von Zentralbankinjektionen abhängige US-Imperium ist nicht mehr in der Lage, großzügige Zugeständnisse zu machen.

Abzusehen ist, dass der Einfluss der Linken – für die Persönlichkeiten wie Bernard Sanders, Elizabeth Warren, Alexandria Ocasio-Cortez und andere stehen – in einer Biden-Regierung marginal bis nicht vorhanden sein wird. Die enthusiastischen Worte, die Sanders bei seiner Wahlempfehlung für Biden gefunden hatte, werden für Sanders ebenso wenig nützlich sein, wie die Hoffnungen aufgehen werden, dass man Biden nach links verschieben könnte.

Diese Wahlen werden kaum zur Überwindung der tiefen Spaltung der US-Gesellschaft beitragen. Ganz gleich, ob Donald Trump zu Recht oder Unrecht das Weiße Haus verlassen muss, seine Wähler und Anhänger, ein großer Teil, wenn nicht die Hälfte der US-Gesellschaft, glaubt den Kartellmedien in dieser Sache kein Wort. Sie werden sagen: „Biden? Nicht mein Präsident!“ Und sie werden auf eine Revanche 2024 setzen.

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"Rückkehr zur „Normalität“", UZ vom 20. November 2020



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