Die Schere geht immer weiter auseinander. Was für die Vermögensverteilung schon lange bekannt ist, trifft auch auf den Ruhestand zu. Jeder fünfte Rentner kommt finanziell kaum über die Runden und muss monatlich mit maximal 1.400 Euro netto auskommen. Weitere 20 Prozent haben ein Einkommen zwischen 1.401 und 1.793 Euro. Jeweils ein weiteres Fünftel lebt von 1.794 bis 2.209 beziehungsweise 2.210 bis 2.869 Euro. Ihnen gegenüber stehen die übrigen 20 Prozent der Rentner und Pensionäre, die monatlich mehr als ... Bitte hier anmelden
2.870 Euro netto zur Verfügung haben.
Dies geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurden. Für die Statistik wurden Rentnerinnen und Rentner sowie Pensionäre im Alter von mindestens 65 Jahren berücksichtigt. Zuletzt waren das 16,3 Millionen Menschen. Das mittlere Einkommen in dieser Gruppe lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 1.990 Euro netto. Dazu zählten Altersrenten und -pensionen, Hinterbliebenenrenten und -pensionen sowie Renten aus individueller privater Vorsorge.
Die veröffentlichten Zahlen belegen, dass das Einkommen der über 65-jährigen Ruheständler in den vergangenen Jahren langsamer gestiegen ist als das der Gesamtbevölkerung. 2021 betrug es im Mittel rund 1.820 Euro monatlich und wuchs bis 2024 um neun Prozent. Das mittlere Einkommen der Gesamtbevölkerung stieg im selben Zeitraum hingegen um 11 Prozent.
Niedrige Renten bedeuten für die Betroffenen in der Regel Altersarmut. Laut der aktuellen EU-Statistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) galt im vergangenen Jahr hierzulande mit 19,4 Prozent fast jede fünfte Person über 65 Jahre als „armutsgefährdet“. Dies ist ein massiver Anstieg seit 2013, als dies nur für 14,9 Prozent dieser Altersgruppe zutraf. Als armutsgefährdet gilt laut Statistischem Bundesamt eine Person, wenn ihr Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens beträgt.
In der Folge sind immer mehr Rentnerinnen und Rentner auf staatliche Unterstützung angewiesen. Ende 2024 bezogen knapp 739.000 von ihnen Grundsicherung im Alter. Das sind 690.000 beziehungsweise gut 7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor und 31 Prozent mehr als Ende 2020, als es 564.000 waren.
Angesichts dieser Entwicklung fordern Gewerkschaften und Sozialverbände schon lange, Altersarmut wirksam zu bekämpfen. Die Berliner Koalitionäre haben jedoch andere Prioritäten. Bundeskanzler Friedrich Merz hat den „Herbst der Reformen“ ausgerufen. Zur Begründung des Sozialkahlschlags, der sich dahinter verbirgt, müssen wachsende Belastungen für den Staatshaushalt und die Beitragszahler sowie Risiken für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts herhalten.
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat bereits deutliche Einschnitte in der Rentenpolitik angeregt. So empfehlen die Ökonomen, das Renteneintrittsalter dynamisch an die steigende Lebenserwartung zu koppeln, die Renten an der Inflation statt an der Lohnentwicklung zu orientieren und die abschlagsfreie „Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren“ – mit Ausnahmen für wenige gesundheitlich beeinträchtigte Rentenberechtigte – endgültig abzuschaffen.
Es scheint, als wäre aus Sicht der Regierung und der dahinterstehenden Kapitalfraktionen „Arbeiten bis zum sozialverträglichen Ableben“ die Lösung aller rentenpolitischer Probleme. Dass nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bereits Ende 2023 1,46 Millionen Rentner einer Beschäftigung nachgingen – davon 16 Prozent in Vollzeit –, um ihre karge Rente aufzubessern, wird verschwiegen.
Stattdessen soll die Zahl der arbeitenden Senioren durch steuerfreie Hinzuverdienstmöglichkeiten in Höhe von bis zu 2.000 Euro im Monat – die sogenannte „Aktivrente“ – weiter erhöht werden. So werden die Renten jedoch nicht armutsfest gemacht. Eine Villa im Tessin als Altersruhesitz bleibt auch in Zukunft denjenigen vorbehalten, die ihr Vermögen durch die Arbeit anderer erworben haben.